Katie Chandler 01 - Hex and the City-ok-neu
aufrichtig, und er sah mich so lange mit seinen dunkelblauen Augen an, bis ich fast vergessen hatte, worüber wir uns unterhielten. Ich hatte den Eindruck, dass er es ehrlich meinte, dass ich ihn jederzeit anrufen konnte und er mir dann zu Hilfe eilen würde. Es war irgendwie cool, einen Freund mit übernatürlichen Kräften zu haben, auch wenn er eher wie Clark Kent war als wie Superman.
Einen Moment lang überließ ich mich dem Gedanken, wie nützlich das doch sein konnte. Ich brauchte nie wieder Angst zu haben, spätabends allein nach Hause zu gehen, oder davor, eine der wenigen Nichtverrückten in einem Wagen der U-Bahn zu sein. Und ich brauchte mich auch nicht mehr vor streunenden Hunden im Park zu fürchten – vorausgesetzt Owen kannte einen Zauberspruch zur Beruhigung von Hunden, der tatsächlich seine Wirkung tat. Wahrscheinlich könnte er mir sogar helfen, wenn ich mich aus der Wohnung ausschließen würde. Wirklich zu schade, dass ich meiner Familie nicht von ihm erzählen durfte. Aber ich war nicht sicher, ob es ihnen dann besser ginge, weil sie wussten, dass ihre Tochter gut behütet war, oder ob sie sich Sorgen machen würden, weil ich mit einem zu tun hatte, der diese Art von Macht besaß.
Jetzt, wo ich es aus dieser Perspektive betrachtete, war es auch irritierend, wenn ich bedachte, was ich sonst noch über Owen in Erfahrung gebracht hatte. Mir fiel wieder ein, dass Rod erzählt hatte, er sei zur Schüchternheit erzogen worden, damit seine Macht nicht gefährlich wurde. Bedeutete das, dass er mächtiger war als die anderen? Sie schienen durchaus Respekt vor ihm zu haben, doch in meinen Augen tat er nichts, um ihn einzufordern.
Ich zog es vor, zu einem unverfänglichen Smalltalk überzugehen, bevor ich Angst bekam und er zu Tode errötete. Wahrscheinlich war sein Hilfsangebot ohnehin nicht so weitreichend gemeint gewesen. Er klang einfach so aufrichtig, weil er kein oberflächlicher Mensch war. Wir stiegen an der gleichen Haltestelle aus, gingen jedoch in entgegengesetzte Richtungen davon, nachdem wir uns verabschiedet hatten. Ich kam zu Hause an, ging hoch in die Wohnung und stellte gleich die Abendnachrichten an. Dann ging ich ins Schlafzimmer, um etwas Bequemeres anzuziehen.
Ich war gerade mit einem Bein aus der Strumpfhose, als ich etwas im Fernsehen hörte, das mich zurück ins Wohnzimmer hoppeln ließ: »Ein Toter, der an der Haltestelle Canal Street quer über den Schienen lag, brachte den U-Bahn-Verkehr auf den Linien N und R zum Erliegen. Mindestens eine Bahn blieb dadurch zwischen zwei U-Bahnhöfen stecken. Die Behörden können noch nicht sagen, ob ein Unglück Ursache dieses Vorfalls ist oder ob es sich um Mord oder Selbstmord handelte«, erklärte der Sprecher.
Ich fiel praktisch aufs Sofa, ein Strumpfhosenbein baumelte schlaff auf den Fußboden hinunter. O mein Gott. Es war real. Es war alles wirklich real. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich es als Spiel betrachtet. Ich hatte nicht wirklich an Zauberei glauben können. Aber jetzt konnte kein Zweifel mehr bestehen.
Wäre ich nicht gewarnt worden, hätte ich wer weiß wie lange in dieser U-Bahn festgesteckt, und die Frau in der Abteilung Prophetien und Verluste hatte es gewusst. Owen hatte es auch gewusst – hätte er sich nicht überwinden können, mir davon zu erzählen? Oder war ihm klar gewesen, dass ich es schon wusste?
Zu Hause in Texas kannte ich eine Menge Leute, die das Wetter vorhersagen konnten, ohne die Zeitung gelesen oder einen Wetterbericht im Fernsehen gesehen zu haben. Sie schauten einfach den Himmel an, prüften, wie die Luft roch, bestimmten die Windrichtung und konnten einem dann ziemlich zuverlässig sagen, ob es regnen und wie heiß es am Nachmittag werden würde. Aber das hier war anders. Wie war es wohl, wenn man schon wusste, was passieren würde, bevor es eintrat? Und was konnten sie alles vorhersehen? Hatten sie bloß hier und da plötzliche Eingebungen oder einen umfassenden Einblick in das, was kam? Und konnten sie zweifelsfrei unterscheiden, ob sie tatsächlich etwas vorhersahen oder ob sie ihrem eigenen Wunschdenken oder ihren Ängsten aufsaßen? Auch ich machte mir häufig ein Bild von der Zukunft, doch keines von ihnen war jemals Wirklichkeit geworden – was meistens gut so war. Diese Leute, mit denen ich zusammenarbeitete, handelten mit äußerst mächtigen Kräften, die ich nicht einmal ansatzweise ermessen konnte. Das war etwas anderes als die Zauberei in Büchern oder Filmen. Hier ging es um
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