Katie Chandler 02 - Alles ausser Hex-ok-neu
nach. Wenn alle anrufen, um ihre Kollegen anzuschwärzen, gehen sie nicht mehr ihrer Arbeit nach. Man kann nicht effektiv im Team arbeiten, wenn die Leute einander nicht über den Weg trauen, und im Augenblick traut keiner keinem. Der Betrieb ruht also.«
Er strich sich gedankenverloren über den Bart.
»Da könnten Sie recht haben. Und wie würden Sie dieses Problem angehen?«
Plötzlich wurde mir klar, dass ich mich mit solchen Dingen perfekt auskannte. Ich stammte aus einer Kleinstadt, also war ich Expertin auf dem Gebiet von Klatsch und Tratsch. Vielleicht hatte ich keinen Schimmer, wie man Betriebsspionage aufdecken konnte, aber darüber, wie Gerüchte sich verbreiteten, wusste ich alles. »Man muss die Gerüchte zu ihrer Quelle zurückverfolgen. Herausfinden, wer wem wann was erzählt hat«, verkündete ich nun wieder selbstbewusster. »Sie haben es gestern selbst gesagt: Die Einzigen, die wussten, dass jemand spioniert hatte, waren Sie, Owen, ich und der Spion. Wenn wir herausfinden, wer zuerst herumerzählt hat, wir hätten einen Spion unter uns, könnte uns das zu dem Maulwurf führen.«
»Exzellente Schlussfolgerung. Ich freue mich auf die Ergebnisse. Bitte halten Sie mich auf dem Laufenden.«
Die Tatsache, dass ich mir diese wirklich stichhaltig klingende Theorie ausgedacht hatte, machte mich mutig. »Es gibt da noch etwas anderes, worüber ich gern mit Ihnen sprechen würde, Sir«, sagte ich.
»Was denn, Katie?«
»Meine Eltern kommen nächste Woche zu Besuch, über Thanksgiving. Ich weiß ja, dass wir schon am Donnerstag und Freitag nicht arbeiten. Aber ich hab mich gefragt, ob ich in dieser Woche nicht noch ein bisschen mehr freihaben könnte, nur hin und wieder mal für ein paar Stunden. Es ist zwar viel zu tun im Moment, und ich muss ja auch die Ermittlungen fortsetzen, aber wenn ich Zeit für meine Eltern habe, kommen sie nicht auf die Idee, mich bei der Arbeit zu besuchen.«
»Ich sehe da kein Problem. Wir können ja im Laufe der Woche mal sehen, wie die Dinge sich entwikkeln, und dann entscheiden, wann Sie sich am besten freinehmen.«
»Danke. Das ist sehr nett.«
»Und fahren Sie in der Zwischenzeit mit Ihren Bemühungen fort. Sie haben da eben eine exzellente Theorie entwickelt. Gute Arbeit, Katie.«
Meine Theorie hatte nur einen Haken, der mir überhaupt nicht gefiel. Wenn es dem Übeltäter mehr darum ging, den Betrieb durcheinanderzubringen, als darum, Spionage zu betreiben, dann musste ich Owen wieder auf die Liste der Verdächtigen setzen.
Denn wie konnte man eine Firma besser aufmischen, als wenn man einen Fall von Spionage meldete, der gar keiner war?
Die Vorstellung von einem der wenigen, denen ich felsenfest vertraute, hintergangen zu werden, war allerdings unerträglich für mich.
Jetzt, wo es darum ging, ein Gerücht zurückzuverfolgen, wusste ich haargenau, wie ich an die Sache heranzugehen hatte. Es war wie früher beim Stille Post-Spielen – je weiter die Nachricht sich von der Quelle entfernte, desto stärker modifizierte sie sich. Und die Art und Weise der Veränderung konnte einem Auskunft darüber geben, wer Teil der Kette gewesen war. Je näher das Gerücht der Wahrheit (oder der offenbar ausgedachten Lüge) kam, desto näher kam man auch der ursprünglichen Quelle. Ich hatte in der Schule nie zu einer bestimmten Clique gehört, sondern mich immer frei zwischen den einzelnen Gruppen hin und her bewegt, was dazu führte, dass ich bei Streitigkeiten häufig zur Schlichterin ernannt worden war. Wenn es herauszufinden galt, wer wann was zu wem gesagt hatte, war ich also eine absolute Expertin. Zum Beweis dafür hatte ich sogar einen Eintrag als Mitschülerin des Jahres im Jahrbuch erhalten.
Wenn ich weiterkommen wollte, musste ich mein Büro verlassen. »Bin gleich wieder zurück«, sagte ich im Hinausgehen zu Trix. »Alle Anrufe gehen direkt auf meine Mailbox.« Mir kein weiteres Jammern und Klagen anhören zu können war der Preis, den ich für meinen Fleiß bezahlen musste.
Wenn es um Gerüchte ging, gab es immer jemanden, der über alles informiert war, selbst dann, wenn die Gerüchte ihn gar nicht selbst betrafen. In unserer Firma war es stets Isabel, bei der die Fäden zusammenliefen. Wenn jemand wusste, welche Fehden in dieser Firma herrschten, dann sie. Und wahrscheinlich hatte sie auch bei den meisten Streitigkeiten schon Schiedsrichterin gespielt. Meine prekäre Aufgabe bestand nun darin, ihr Informationen zu entlocken, ohne selbst etwas zu verraten, das
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