Katja Henkelpott 2 - Katja Henkelpott und die Schlangekoenigin
Chefarzt und ließ seinen Zorn an uns aus, weil dieser Mann nicht auf der Stelle kommen wollte. Er bedankte sich nicht wegen der Ersten Hilfe und daß wir sein gebissenes Kind ins Krankenhaus begleitet hatten, sondern beschimpfte Herrn Lemke und den Naturschutz. Die Grünen wären dafür verantwortlich, daß sich die Giftschlangen entwickeln könnten und anderes unwertes Gezücht, das ausgerottet werden müßte.
Herr Lemke sagte, Herr Teichmüller sollte die dunkle Brille abnehmen, er sähe die Welt im falschen Licht. Und dann hat er ihm einen großen Deutschen vorgehalten, der Friedrich Schiller heißt. Dieser Dichter verstand was von Tieren und hat gesagt: »Die Schlange beißt nicht ungereizt.«
Herr Teichmüller hat höhnisch über Schiller gelacht und gerufen, er würde Gleichgesinnte finden, für Ordnung im Revier sorgen und jeder verdammten Otter den Kopf zertreten.
»Komm«, sagte Herr Lemke, »ich spendier eine Taxe.« Und als wir in Pälitzhof angekommen waren, hat er meine Oma Habenicht gebeten, die Gummistiefel für mich herauszusuchen und Moritz und Zottel Urlaub zu geben.
»Warum, Herr Lemke?«
»Wir müssen die Kreuzotter aufspüren und ins Rote Moor umsiedeln, wo sie in Sicherheit ist. Herrn Teichmüller ist das Schlimmste zuzutrauen.«
Lange mußten wir nicht suchen. Das schöne Tier sonnte sich nicht weit von der Stelle, wo Sabrina das Natternhemd gefunden hatte. Moritz machte einen Buckel, Zottel knurrte leise, und ich hielt die Fingerspitzen vor den Mund, als Herr Lemke den Handschuh überstreifte, um die Schlange behutsam zu greifen.
Er hat sie in einen Beutel gesackt und im Roten Moor an einer heimlichen Stelle freigelassen. Wir haben dann gewartet, bis sie zwischen dem Heidekraut verschwand.
Umzug und Auszug
Soviel Freibier Herr Teichmüller auch versprach, in Pälitzhof fand sich kein Mensch, der bereit war, mit ihm die Kreuzotter auszurotten. Die Leute wußten ja, daß sich dieses seltene Tier von Mäusen ernährt und nicht von unvorsichtigen Kindern. Da hat er in seinem Haß die Krönleinnatter erschlagen und vor unseren Haustritt geworfen.
Moritz und Zottel hatten Totenwache gehalten. Jetzt bettelten sie mich um Futter an. Ich holte den Napf. »Das Leben geht weiter«, sprach meine Großmutter und strich mir tröstend übers Haar, als sie sah, daß meine Tränen in die Haferflocken tropften.
Später sagte sie: »Das Tier muß ordentlich begraben werden. Kann ja sein, sie war wirklich eine Schlangenkönigin.«
Ich holte ein paar Kinder aus dem Dorf, damit sie mir bei den Vorbereitungen helfen konnten. Die Ringelnatter ist die größte Schlange der Bundesrepublik Deutschland, und das schwierigste war, einen schmalen Sarg von ein Meter fünfzig Länge zu beschaffen. Der Besitzer von Eberhards Kaufladen mußte lange suchen, bis er einen passenden Karton gefunden hatte. Er schenkte uns auch das Seidenpapier, damit wir die Leiche weich betten konnten.
Rena war längst aus dem Gips. Zum Glück hatte ihre Mutter den Kinderrollstuhl noch nicht abgegeben. Wir schmückten ihn mit Feldblumensträußen und Kränzen aus Klatschmohn, Schafgarbe und wilden Margeriten und machten den schönsten Leichenwagen daraus, der sich denken läßt. Der Sarg wurde mit einer schwarzen Schleife verziert. Wegen seiner Länge mußten wir ihn quer über die Armlehnen des Rollstuhls legen. Dann zogen wir los.
Rena schob die Karre mit der toten Schlange, dann folgte ich als die nächste Angehörige im Biene-Maja-Pullover, der zur Trauerfeier gerade noch fertig geworden war. Hinter mir schritten Moritz und Zottel, dann kamen die vielen Kinder von Sachers mit verschiedenen Puppenwagen, die Jungen auf bunt aufgeputzten Fahrrädern und als Schlußlicht wieder Inken, die Pastorentochter, mit Wackelente und Wackelpo.
Der Trauerzug führte über den Anger, dann durch das Dorf und so lange an Teichmüllers Zaun hin und her, bis die Leute mitkriegten, daß es auch eine Demo war.
Vor dem Kastanienbaum gegenüber Teichmüllers Staketenzaun haben die Jungen das Grab gegraben. Es war ein schweres Stück Arbeit wegen der Wurzeln und wegen der Länge von ein Meter fünfzig. Wir haben die arme Schlange vorsichtig hineingesenkt, und Herr Lemke, der gerade vorbeikam, hat die letzten Worte gesprochen, nämlich daß der Mensch mit jedem Lebewesen einverstanden sein muß, so wie es von der Schöpfung geschaffen wurde, ob uns das paßt oder nicht. Eine Schlange hat eben keine langen Löffel wie Meister Lampe und keine
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