Katrin Sandmann 01 - Schattenriss
gehörigen Schreck bekommen und ließ die Finger von dieser grässlichen Geschichte.
Und er würde sich der Figur annehmen. Noch hatte die Polizei sie nicht gefunden. Noch war es nicht zu spät, sie endgültig verschwinden zu lassen, sie im Rhein zu versenken, so wie die anderen Sachen, so wie alles, was ihn an Tamara erinnerte. Heute Nachmittag würde er noch einmal zum Südfriedhof fahren.
„Ich nehme nur einen Salat. Den nach Art des Hauses, mit den Filetspitzen. Nummer sieben.“ Eva Sandmann lächelte den Kellner an. „Und dazu ein Glas Weißwein.“ Sie wandte sich ihrer Tochter zu. „Was ist mit dir? Du siehst blass aus. Du solltest was Richtiges zu dir nehmen.“
„Also gut. Die Grillplatte für zwei Personen für mich.“
Der Kellner zuckte nicht einmal mit den Augenbrauen.
„Katrin! Ich …“
„Schon gut. Ich hätte gern die vierundzwanzig. Die Schweinemedaillons. Und ein Wasser.“
Der Kellner bedankte sich höflich, nahm die Karten entgegen und verschwand lautlos.
„Was ist mit dir los, Katrin? Ich sehe doch, dass was nicht stimmt. Ist es beruflich oder privat?“
Eva Sandmann runzelte besorgt die Stirn. Sie hatte ihre Tochter zum Essen eingeladen, weil sie am Dienstagnachmittag am Telefon so merkwürdig geklungen hatte. Außerdem hatte Katrin die Fotos für die Zeitung einfach nur in den Briefkasten geworfen, obwohl sie genau gewusst hatte, dass ihre Mutter zu Hause war. Es war fast, als würde sie ihr aus dem Weg gehen.
„Eigentlich weder noch, „ antwortete Katrin zögernd. „Ich bin da nur zufällig in eine Geschichte reingeraten , die mich ziemlich mitnimmt. Aber ich möchte jetzt nicht darüber reden.“
Eva Sandmann seufzte. Sie blickte durch die großen Scheiben des Restaurants auf die Straße. Auf der Königsallee herrschte Hochbetrieb wie immer. Sie beobachtete eine Frau um die fünfzig in einem hellgrauen Kostüm, die damit beschäftigt war, eine Anzahl mit exklusiven Markennamen bedruckter Einkaufstüten auf der Rückbank ihres Jaguars zu verstauen. Dann setzte sie sich umständlich hinter das Lenkrad. Bevor sie losfuhr, klappte sie die Sonnenblende herunter und zog sich vor dem kleinen Spiegel den Lippenstift nach.
Eva wandte ihren Blick ab. Das Schlimmste war, dass sie selbst eine von diesen eleganten, reichen Ehefrauen war, die mit ihrem Leben nicht viel mehr anzufangen wussten, als ihre Zeit im Tennisclub, in schicken Boutiquen und exklusiven Restaurants zu verbringen. Sie sah ihre Tochter an.
„Wie du meinst. Reden wir von etwas anderem. Ich soll dich was von Anita fragen.“
Der Kellner brachte die Getränke. Katrin griff nach ihrem Wasser.
„Keine Familienfeier, bitte.“
„Nein. Es geht um was anderes. Du weißt doch. Sie haben dieses neue Haus gekauft. Hast du es eigentlich schon gesehen?“
Katrin schüttelte den Kopf.
„Wirklich sehr schön. Riesiger Bungalow. Alles auf einer Etage. Du weiß ja, Günther kann nicht mehr so gut Treppen steigen. Überall Parkett und ein riesiger Garten.“ Sie nippte an ihrem Weißwein. „Auf jeden Fall haben sie diese Idee, in der Eingangshalle ein Familienporträt aufzuhängen. Zunächst ein Foto. Und später wollen sie’s vielleicht in Öl malen lassen. Und Anita hat natürlich dabei sofort an dich gedacht.“
„Mama, du weißt genau, dass ich keine Porträts mache. Ich bin Landschaftsfotografin. Ich hocke mich um sechs Uhr morgens ins Moor, um den Dunst in der aufgehenden Sonne abzulichten oder ich lege mich irgendwo ans Rheinufer und warte, bis ein idyllisch aussehender Kahn vorbeikommt. Manchmal mach ich auch ne Hochzeit oder so, aber Porträts gehen wirklich nicht. Dafür braucht man ein Studio, mit der richtigen Beleuchtung und allem. Wo bitte sollte ich das denn überhaupt aufnehmen? Vielleicht bei Anita im Wohnzimmer?“
„Du kannst sicher was improvisieren. Anita meint es doch nur gut. Sie weiß, wie schwer es ist, ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Ihr Benedikt hat doch auch so viele Probleme mit seiner Computerfirma.“
„Ich habe keine Probleme, Mama. Ich kriege noch nicht immer die Aufträge von denen ich träume, aber ich verdiene genug, um davon leben zu können. Und vor allen Dingen, um Arbeiten abzulehnen, die nicht in mein Fach fallen. Bitte erklär Anita, dass ich für Porträts nicht die geeignete Ausstattung habe. Das wird sie schon verstehen.“
Eva Sandmann lächelte und nickte. „Wie du meinst. Ich werde ihr einfach sagen, dass du zu überlastet bist und im Augenblick keine Zeit
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