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Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen

Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen

Titel: Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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Sekunden es dauern würde, bis er sie eingeholt hätte, wenn sie jetzt die Tür aufstieß und zurück zur Schnellstraße lief, als er die Waffe hervorzog und den Lauf auf sie richtete.
    »Trink, habe ich gesagt.«
    Katrin streckte ihre Finger zögernd nach dem Becher aus. Irgendwo tief in ihr sagte etwas, dass das hier alles gar nicht passiere, sondern nur ein Traum sei, ein Alptraum. Gleich würde sie aufwachen, schweißgebadet, aber warm und sicher in ihrem eigenen Bett.
    Doch sie wachte nicht auf. Sie starrte auf das Gefäß in ihrer Hand und musste an einen Film denken, den sie vor Jahren gesehen hatte. Spurlos. Es ging um eine junge Frau, die von einer Autobahnraststätte verschwindet. Einfach so. Sie taucht nie wieder auf, doch ihr Freund ist hartnäckig, beinahe besessen. Er hört nicht auf, sie zu suchen. Und dann, Jahre später, findet er den Mann, der seine Freundin entführt hat. Dieser bietet ihm an, ihm zu zeigen, was damals passiert ist. Aber dafür muss er etwas Unbekanntes trinken. So wie Katrin jetzt. Der junge Mann trinkt. Er wird bewusstlos. Als er aufwacht, merkt er, dass er in einem Sarg liegt. Er ist lebendig begraben. Er weiß jetzt, was mit seiner Freundin passiert ist.
    Der Mann neben Katrin wurde ungeduldig. Er drückte ihr die Pistole an die Schläfe.
    »Trink jetzt endlich!«
    Sie trank. Erst einen kleinen Schluck. Dann alles. Es schmeckte bitter, aber nicht allzu sehr. Er nahm ihr den Becher ab, ließ sie aussteigen und auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Als sie gerade die Tür zuziehen wollte, bemerkte sie, dass auf dem Boden vor ihren Füßen die Tüte mit dem Buch lag, das sie sich in der Stadt gekauft hatte. Ein Gedanke durchzuckte sie. Blitzschnell beugte sie sich nach vorn, tat so, als wäre etwas an ihrem Schuh, griff nach der Tüte, warf sie aus dem Wagen und schlug die Tür zu. Angstvoll richtete sie sich auf und sah den Mann an. Sein Gesicht war undurchdringlich. Eine Maske ohne jede Regung. Er schien nichts gemerkt zu haben. Erleichtert lehnte Katrin sich zurück. Die Chance, dass jemand die Tüte fand und nicht einfach behielt, war vermutlich winzig klein. Und selbst wenn sich der Finder Gedanken darüber machte, was es damit auf sich haben mochte, war noch lange nicht gesagt, dass jemals irgendwer eine Verbindung zu ihr herstellen oder dass der Fundort des Buchs der Polizei bei der Suche nach ihr hilfreich sein würde.
    Katrin merkte plötzlich, wie ihr Kopf schwer wurde. Außerdem empfand sie mit einem Mal eine erstaunliche Gleichgültigkeit. Ihr war alles egal. Sie fand die ganze Sache sogar ein wenig lustig. Was für ein Abenteuer! Als er den Schlüssel im Zündschloss drehte und Gas gab, grinste sie ihn an. Dann wurde es langsam dunkel.
    Bis sie in diesem kalten Loch wieder aufwachte.
    Mensch, war sie blöd gewesen! Einen wildfremden Mann, der sie im Parkhaus angequatscht hatte, im Wagen mitzunehmen. Wenn man ihr das von einer anderen Frau erzählt hätte, wäre ihr sofort durch den Kopf geschossen: Selbst schuld. Wie kann man denn so naiv sein?!
    Aber in dem Moment war ihr das alles ganz harmlos und natürlich vorgekommen. Katrin versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was im Augenblick wichtig war. Es nützte nichts, sich über Fehler in der Vergangenheit zu ärgern. Es war besser, zu versuchen, die Probleme der Gegenwart zu lösen. Sie atmete tief durch. So tief jedenfalls, wie der Knebel es zuließ. Sie hatte Durst. Ihre Zunge lag dick und trocken in ihrem Mund. Ihre Lippen waren taub, und das Stück Stoff zwischen ihren Zähnen fühlte sich hart und schwer wie ein zentimeterdickes Holzbrett an.
    Katrin versuchte sich zu bewegen. Es fiel ihr unendlich schwer. Ihre Glieder waren durchgefroren und starr. Am schwierigsten war jedoch, das heftige Zittern zu kontrollieren und die Bewegungen zu koordinieren. Sie brauchte unglaublich lange, um ihren Oberkörper so weit von der Wand weg zu drehen, dass sie ihren Blick auf den kleinen Raum richten konnte. Doch sie sah nichts. Sie fixierte konzentriert die Dunkelheit und wartete ab. Allmählich begannen sich Formen abzuzeichnen und sie konnte Schatten erkennen. Da sie die Gegenstände bereits bei Licht gesehen hatte, erkannte sie nun die Konturen des Regals, den Schemel und die Tür. Dort, wo sich das kleine Gitterfenster befinden musste, war die Schwärze ein wenig heller, fast grau.
    Sie beugte sich ein Stück vor, und suchte den Boden ab. Die Decke lag immer noch dort. Erleichtert atmete sie auf. Sie musste versuchen, sie

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