Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen
rekordverdächtigen, vorweihnachtlichenSchnee-decke. Manfred hatte schon in den frühen Morgenstunden erneut alle Krankenhäuser in Düsseldorf und Umgebung abtelefoniert und bei der Vermisstenstelle angerufen. Er war noch auf die Idee gekommen, beim Flughafen nachzufragen, aber dort konnte man ihm auch nicht weiterhelfen. Wegen des plötzlichen, ungestümen Wintereinbruchs waren sowieso die meisten Flüge ausgefallen. Schließlich war Manfred mit Gudrun nach Grimlinghausen gefahren, wo Roberta mit ihrer Familie wohnte. Gudrun kochte Tee, irgendeine Spezialmischung, und dann setzten sie sich ins Wohnzimmer, um zu beratschlagen.
»Gehen wir mal davon aus, dass Katrin tatsächlich irgendwohin gefahren ist«, fing Gudrun an. »Ihr kennt sie gut. Wohin könnte das sein? Gibt es eine Freundin oder eine Verwandte, die sie besucht haben könnte?«
»Sie hat eine Tante in München, zu der sie kaum Kontakt hat«, erzählte Roberta. »Und in der Nähe von Hamburg wohnt eine gemeinsame Schulfreundin von uns, die manchmal nach Düsseldorf kommt. Aber warum sollte sie die Hals über Kopf eine Woche vor Weihnachten besuchen? Ohne Gepäck? Ohne sich um Rupert zu kümmern?«
»Was ist mit Männern?«, hakte Gudrun nach. »Es gab da ja wohl schon Typen vor Manfred, oder?«
Manfred, der bisher gedankenverloren aus dem Fenster auf die tanzenden Schneeflocken gesehen hatte, fuhr herum und fixierte sie. Aber er sagte nichts. Roberta antwortete schließlich nach kurzem Zögern: »Klar hatte sie Freunde. Aber das meiste ist länger her, und es ist keiner dabei, mit dem sie überstürzt die Stadt verlassen würde, nur weil sie ihn zufällig an der Straßenecke wiedertrifft, glaubt mir.« Roberta schüttelte den Kopf. »Nein, diese Möglichkeit können wir mit Sicherheit ausschließen. So was würde sie auch gar nicht machen.«
Peter schaltete sich jetzt ein. »Ich weiß, dass es ziemlich unwahrscheinlich ist, aber ich denke, wir dürfen nicht ausschließen, dass es einen Zusammenhang zwischen Katrins Verschwinden und dem Ausbruch dieses Kerls aus Viersen gibt.«
»Das ist doch absurd«, widersprach Gudrun, »Ich habe die Nachrichten gehört. Mario Brindi – so heißt der doch, oder? – ist irgendwann nachmittags ausgebrochen. Ihr habt euch wann – ?« Sie blickte fragend zu Roberta, »gegen halb acht oder so im Parkhaus verabschiedet. Stimmt’s? Meint ihr ernsthaft, der Mann bricht aus, und das Erste, was er tut, ist nach Düsseldorf zu fahren und spontan eine Frau zu kidnappen, einfach so, ohne dass es jemand mitkriegt, und das ist auch noch ausgerechnet Katrin? Das halte ich für vollkommen an den Haaren herbeigezogen, sorry Leute, jetzt dreht mal nicht durch.«
»Niemand dreht hier durch, Gudrun,« gab Roberta zurück, »aber wir kennen Katrin besser als du, und wir wissen, was sie tun würde und was nicht!«
»Man kennt einen Menschen nie so genau, wie man es sich einbildet. Man ist ja manchmal sogar von sich selbst überrascht.« Gudrun verschränkte die Arme. Sie setzte zu weiteren Worten an, aber Manfred unterbrach sie.
»Schluss jetzt! Fangt bloß nicht an, euch zu streiten. Davon hat doch keiner was.« Er blickte hilfesuchend in die Runde. »Ich mache mir Sorgen. Ich bin mir sicher, dass sie in Gefahr ist, dass sie mich braucht, dass sie uns braucht. Bitte.«
Er sah Roberta eindringlich an, und sie spürte wieder die Beklemmung in sich aufsteigen, die sie bereits am Tag zuvor auf dem Polizeipräsidium nur mühsam hatte niederringen können. Was Manfred sagte, stimmte. Es gab zu viele Ungereimtheiten. Katrin war nicht einfach weggefahren, nicht freiwillig jedenfalls. Roberta hatte das Gefühl, als ruhe die ganze Verantwortung auf ihren Schultern. Die Polizei würde zumindest im Augenblick noch nicht viel unternehmen. Nicht, wenn eine erwachsene Frau erst knapp vierzig Stunden verschwunden war und dazu noch eine Nachricht hinterlassen hatte, die besagte, dass sie übers Wochenende verreisen wolle. Außerdem war sie, Roberta, die Letzte, die Katrin gesehen und mit ihr gesprochen hatte. War sie denn anders gewesen als sonst? Hätte ihr etwas auffallen müssen?
Peter schaltete sich wieder ein. »Manfred hat recht. Ich schlage vor, Roberta erzählt uns in allen Einzelheiten, was sie am Freitag mit Katrin in der Stadt gemacht hat. Vielleicht fällt einem von uns ja etwas auf, das uns weiterhilft.«
Die anderen stimmten zu, und Roberta versuchte, so detailgetreu, wie sie sich erinnerte, von dem Nachmittag in der Stadt zu
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