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Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen

Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen

Titel: Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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gelang ihm, den Wagen halbwegs auf Kurs zu bringen. Das Fahrzeug dröhnte ruckelnd über die Fahrbahn. Er fluchte.
    »Scheiße. Scheiße. Scheiße. Scheißschnee. Scheißkarre. Scheißstadt. Das hat man davon, wenn man nach Düsseldorf fährt. Nichts als Scheiße!«
    Er rollte auf eine Kreuzung zu. Rechts ging es nach Himmelgeist. Er bog ab und hielt am Straßenrand. Es war der rechte Vorderreifen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Mitten in der Pampa, rechts und links nur blöde, verschneite Äcker. Er hatte nicht einmal ein Reserverad dabei. Scheißstadt.
    Wütend starrte Rothmann jedem Wagen hinterher, während er den ADAC anrief, so als wären die anderen schuld, dass er liegengeblieben war. Er stopfte das Telefon zurück in die Tasche und betrachtete die Bescherung. Vermutlich durfte er sich gleich noch die Belehrungen irgend so eines Schrauberlehrlings anhören, weil er immer noch Sommerreifen drauf hatte. Und kein Reserverad dabei.
    Dabei hatte er wirklich andere Sorgen. Die Artikel für die nächste Ausgabe des Tempo Magazins standen noch nicht. Und dabei war bereits Dienstag der Termin beim Drucker. Diese Ülzcin hatte ihn mal wieder versetzt, so wie es aussah. Die Schulstory würde garantiert nicht pünktlich bis Montag auf seinem Schreibtisch liegen. Das hatte er im Urin. Außerdem war der Grafiker seit zwei Wochen krank und er selbst hatte schon wieder ständig diese Magenschmerzen. Das kam davon, dass er sich um jeden Mist selbst kümmern musste. Auf keinen seiner Mitarbeiter war wirklich Verlass. Allesamt Stümper. Manchmal würde er am liebsten alles hinschmeißen.
    Er fummelte eine Packung Zigaretten aus der Manteltasche und steckte sich eine an. Unruhig ging er auf und ab. Plötzlich entdeckte er am Rand des Feldes etwas im Schnee. Eine Tüte aus einem Kaufhaus. Rot. Irgendwas Eckiges drin. Er schob sie vorsichtig mit dem Fuß zur Seite, sodass die Öffnung zu ihm zeigte und er hineinschauen konnte.
    Ein Buch. Na, klasse.
    Er versetzte der Tüte einen kräftigen Tritt und sie flog ein Stück weit ins Feld hinein, wo sie im Schnee versank. Jetzt war sie von der Straße aus nicht mehr zu sehen.

    ***

    Hauptkommissar Halverstett starrte gedankenverloren aus dem Fenster. Den ganzen Vormittag war es trocken geblieben, und am Himmel waren sogar ein paar blaue Flecken aufgetaucht. Aber jetzt hingen die Wolken wieder wie eine schwere, schwarzgraue Daunendecke über der Stadt. Es würde jeden Augenblick wieder anfangen zu schneien.
    Eigentlich hatte er seiner Frau versprochen, mit ihr heute einen Weihnachtsbaum zu besorgen, aber jetzt war ihm die Sache mit Brindi dazwischengekommen. Veronika war sicher sauer und er würde den Rest des Wochenendes ihre schlechte Laune ertragen müssen. Falls es für ihn überhaupt so etwas wie ein Wochenende geben würde. Im Augenblick sah es nicht danach aus. Die Polizei in Düsseldorf war zwar nicht unmittelbar zuständig, und er als Mitarbeiter des KK 11 schon gar nicht, sondern, wenn überhaupt, dann die Kollegen der Fahndung, aber Halverstett ließ die Geschichte dennoch keine Ruhe. Er hatte die alten Akten herausgesucht und blätterte darin, in der Hoffnung, einen Hinweis darauf zu finden, wo Brindi sich verstecken könnte.
    Er war derjenige, der damals den Selbstmord von Carolin Maiwald untersucht hatte. Er war derjenige, der Brindi damals verhaftet hatte. Oder besser gesagt, er war derjenige, zu dem Brindi gekommen war, fassungslos, aufgelöst; er habe nie einer von ihnen ernsthaft ein Leid zufügen wollen, er habe nie jemanden töten wollen; schließlich habe er sie ja auch alle wieder freigelassen. Er habe doch nicht ahnen können, dass das Mädchen sich umbringen würde. Er hatte ihm seine ausgestreckten Arme hingehalten.
    »Bitte verhaften Sie mich, ziehen Sie mich aus dem Verkehr. Sorgen Sie dafür, dass ich so etwas nie wieder tun kann.«
    Brindi hatte ihn berührt wie kein zweiter Täter. Zum ersten Mal war ihm bewusst geworden, welchen Qualen nicht nur die Opfer ausgesetzt waren, sondern auch die Täter. Manche jedenfalls. Er war froh gewesen, dass Brindi eine Chance auf eine Therapie bekommen hatte. Selten zuvor hatte er ernsthaft geglaubt, dass ein kranker Verbrecher tatsächlich geheilt werden könne. Es war Brindi gewesen, der ihm bewusst gemacht hatte, was es für einen Menschen bedeuten musste, wenn eine psychische Störung ihn vollkommen beherrschte, wenn etwas in ihm stärker war als jede Vernunft und sein Verstand sich dagegen nicht zur Wehr setzen

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