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Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen

Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen

Titel: Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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inne.
    Plötzlich bremste ein Auto neben ihr. Die Reifen blockierten. Der Matsch spritzte. Es war einer von diesen Geländewagen, mit denen manche Männer völlig überflüssigerweise in der Stadt herumkurvten. Dagmar fragte sich, ob diese Typen eigentlich ahnten, wie peinlich ihr Gehabe war. Und wie leicht zu durchschauen. Sie wusste nicht genau, um welches Modell es sich handelte, sie kannte sich nicht besonders gut mit Autos aus, aber sie kannte den Mann, der jetzt heraussprang und direkt auf sie zulief. Sie kannte ihn von Pressekonferenzen und diversen anderen Veranstaltungen. Es war ein Kollege, der für den Morgenkurier schrieb. Sie reckte das Kinn vor und starrte ihm entgegen. Er war eine Komplikation, mit der sie gerechnet hatte. Mit ihm würde sie fertig.
    »Hey, Dagmar!«, rief Manfred Kabritzky. »Ich war gerade auf dem Weg zu dir. Ich muss mit dir reden!«
    Sie antwortete nicht, sondern schritt mit dem, was sie für einen ruhigen, souveränen Gang hielt, weiter die Kaiserstraße entlang auf den Hofgarten zu. Er lief neben ihr her. »Es ist wirklich wichtig, Dagmar. Es geht um Mario Brindi .«
    Dagmar blieb kurz stehen und fixierte ihn verächtlich. »Wie kommt es eigentlich, dass ich mir das fast schon gedacht habe?«, fragte sie in bitterem Tonfall. »Du bist auch so einer von diesen Aasgeiern.« Sie ging weiter.
    »Du doch genauso, oder?«, gab Manfred zurück. »Wenn du Informationen brauchst, wie machst du das denn?«
    »Aber ich verurteile niemanden ohne die Einzelheiten zu kennen.«
    »Okay, ich will nicht mit dir streiten, Dagmar. Ich brauche deine Hilfe. Meine Freundin ist verschwunden. Und es gibt Anhaltspunkte dafür, dass Brindi sie entführt hat.«
    Dagmar blieb abrupt stehen. Sie starrte ihn an. Es war nicht nötig, ihm den Schrecken vorzuspielen. Seine Worte fuhren ihr durch alle Glieder. Sie war zwar darauf vorbereitet gewesen, ihm entgegentreten zu müssen, hatte sich hundert Mal überlegt, wie sie sich verhalten würde, jeden Satz, jedes Wort hin und her gewendet; aber als es jetzt wirklich passierte, war es doch vollkommen anders.
    Sie musterte ihn. Er sah nicht besonders gut aus. Bleich und übernächtigt. Mit einem Mal empfand sie beinahe Mitleid. Sie hatte ihn für kaltschnäuziger gehalten. Aber die Sache ging ihm offensichtlich wirklich nah. Sekundenlang durchfuhr sie so etwas wie Neid auf seine Freundin. In ihrem Leben gab es niemanden, der sich ihretwegen so sorgen, der ihretwegen so blass und verzweifelt dreinblicken würde. Außer Jeanette vielleicht, aber das war etwas Anderes.
    »Das tut mir leid, Manfred«, sagte sie leise. »Ihr wird bestimmt nichts passieren.«
    »Ich habe mich bei den Kollegen umgehört. Die haben mir erzählt, du hättest ihn in den letzten Monaten mehrfach besucht. Ist das wahr? Bitte sag mir, was du über ihn weißt. Jede Kleinigkeit könnte uns weiterhelfen.«
    Dagmar ging langsam weiter. Sie hatten jetzt den Hofgarten erreicht. Manfred lief abwartend neben ihr her. »Ja, ich war bei ihm«, erklärte sie schließlich. »Ich wollte etwas über den Maßregelvollzug schreiben, und er war derjenige, der bereit war, mit mir zu reden. Er ist ein freundlicher, ein feiner Mensch.«
    Manfred stieß einen Laut aus, sagte aber nichts.
    »Doch wirklich«, beharrte Dagmar. »Er ist einer der höflichsten Männer, denen ich je begegnet bin. Und da ist noch etwas. Wusstest du, dass es Ungereimtheiten gibt, was sein Geständnis angeht?« Sie machte eine bedeutungsvolle Pause, aber Manfred starrte nur schweigend auf den Boden. Also fuhr sie fort. »Er hat Details gestanden, die gar nicht so passiert sind. Er hat den Tatverlauf nicht korrekt geschildert. Weißt du, was das bedeutet? Er ist unschuldig. Er hat es nicht getan.«
    »Und warum sollte er dann gestanden haben?«
    »Es gibt eine Menge Menschen, die Verbrechen gestehen, die sie nicht begangen haben. Um jemand anderen zu schützen oder um sich wichtig zu tun. Ich glaube, Mario – «,
    sie stockte, »Ich glaube, er hat dieses Geständnis abgelegt, weil er einsam war, und verwirrt. Er wollte Beachtung. Er ist ein sehr stiller Mensch voller Ängste und Komplexe. Stell dir mal vor: Er hat solche Prüfungsangst, dass er nicht einmal einen Führerschein hat. Begreifst du?«
    »Sorry, Dagmar, aber ich glaube, du hast dich da in was verrannt.« Seine Stimme klang hart. Er hatte offenbar nicht begriffen, was sie ihm sagen wollte. Sie hatte es nicht anders erwartet. Langsam gewann ihre Verachtung für ihn wieder die

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