Katrin Sandmann 04 - Blutsonne
war, als wäre man blind. Und gegen eine Gefahr, die man nicht sah, konnte man sich nicht wappnen. Endlich erreichte er die vertraute Hecke seines Vorgartens. Als er gerade den Schlüssel aus der Aktentasche fischen wollte, hörte er Schritte hinter sich.
»Nicht bewegen!«
Binder spürte etwas an seinem Hinterkopf. Den Lauf einer Waffe. Verdammt. Als hätte er es geahnt. Vermutlich hatte der Typ es auf sein Geld abgesehen. Das konnte er haben, Binder hatte nicht vor, den Helden zu spielen.
»Aktentasche fallen lassen!«
Hatte er es doch gewusst. Da war seine Dienstwaffe drin. Doch an die käme er jetzt sowieso nicht ran. Er ließ die Tasche langsam aus der Hand gleiten. Sie plumpste fast lautlos auf die Steinplatten. Der Fremde stieß sie mit dem Fuß weg. Dunkler Turnschuh. Nike. Vielleicht konnte er sich das Modell merken.
»Hände auf den Rücken!«
Binder, der gerade im Begriff war, die Arme zu heben, stutzte. Etwas stimmte nicht. Das war kein normaler Überfall. Jetzt hätte der Typ ihm eigentlich die Brieftasche aus der Hose ziehen müssen. Aber daran schien er gar nicht interessiert zu sein. Bevor Binder weiter darüber nachdenken konnte, klickten Handschellen um seine Handgelenke.
Verdammt! Was sollte das? Was wollte der Kerl von ihm?
Plötzlich fiel ihm der Fall ein, an dem die Kollegen vom KK 11 gerade arbeiteten. Er hatte sich im Paternoster kurz mit Klaus Halverstett unterhalten. Hatte der Mörder dem Ehepaar nicht auch Handschellen angelegt, bevor er es am nächsten Baum aufknüpfte? Und er hatte Halverstett noch erzählen wollen, dass er die Opfer kannte. Von einem anderen Fall. Womöglich gab es da einen Zusammenhang.
Scheiße! Binder wurde es heiß. Scheiße!
Er fuhr herum, bereit, um sein Leben zu kämpfen, doch in dem Augenblick traf ihn ein Schlag auf den Schädel. Seine Knie sackten weg, und alles versank in Dunkelheit.
5
Katrin räkelte sich im Schaukelstuhl. Rupert sprang auf ihre Oberschenkel, machte es sich bequem und schnurrte behaglich. Manfred saß an Katrins Schreibtisch und tippte einen Artikel in seinen Laptop. Katrin starrte hinaus in den Nebel. Plötzlich fiel ihr etwas ein.
»Kann ich morgen früh dein Auto haben?«
Manfred drehte sich um und sah Katrin erstaunt an. »Du willst was?«
Seit Katrin vor zwei Monaten mit ihrem eigenen Auto entführt worden war, war sie nicht mehr allein gefahren. Ihren alten Golf Cabrio, den sie besaß, seit sie den Führerschein gemacht hatte, hatte die Polizei zwar wiedergefunden , doch Katrin wollte den Wagen nicht mehr haben.
»Dein Auto. Du brauchst es doch morgen früh nicht, oder? Du hast gesagt, dass du erst nachmittags in die Redaktion musst.« Katrin kraulte Rupert am Hals.
»Klar kannst du. Verrätst du mir auch, was du vorhast?« Manfred stand auf und hockte sich vor Katrin auf den Boden. Rupert beäugte ihn misstrauisch, so, als fürchtete er, der Mann könne ihm seinen Platz auf Katrins Schoß streitig machen.
Katrin lächelte. Sie fuhr Manfred durch das zerzauste blonde Haar. »Keine Sorge. Ich habe nicht vor, auf Mörderjagd zu gehen. Wenn ihr recht habt, ist der Täter ja auch schon gefasst und hinter Schloss und Riegel.«
»Wenn ihr recht habt? Wie meinst du das?« Manfred fixierte Katrin misstrauisch.
»Roberta kennt diesen Hofleitner flüchtig. So, wie sie ihn mir beschrieben hat, ist er ein einfach gestrickter Zeitgenosse, der am liebsten mit einer Flasche Bier in der Hand vor dem Fernseher sitzt. Nicht gerade der Typ Mann, der einen Mord perfide bis ins Detail plant und seine Opfer zur Betonung seines Anliegens an einem historischen Richtplatz umbringt.«
»Was für ein historischer Richtplatz?« Manfred umfasste Katrins Unterschenkel. Der Schaukelstuhl schwang nach vorn, Rupert sprang erschrocken auf und hüpfte auf den Boden. Beleidigt verzog er sich auf die Fensterbank.
»Hey, musst du eine solche Unruhe verbreiten!«, rief Katrin und lachte. Dann rutschte sie zu Manfred auf den Boden.
»Hat doch wunderbar funktioniert«, gab Manfred zurück. »Rivale in die Flucht geschlagen, Prinzessin im Arm.«
»Von wegen Prinzessin.« Katrin kniff ihn in den Bauch.
»Autsch. Okay, Prinzessin mit Dornen. Jetzt hast du mir aber immer noch nicht verraten, was du mit dem historischen Richtplatz meinst.«
»Dort, wo die beiden gestern Nacht aufgeknüpft wurden, stand einmal der Galgen von Düsseldorf.«
Manfred riss die Augen auf. »Wirklich? Woher weißt du das?«
»In der Schule haben Roberta und ich mal ein Referat
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