Katrin Sandmann 04 - Blutsonne
ja nicht mehr hier blicken!«
Katrin trabte los. An der Einfahrt drehte sie sich noch einmal um. »Wer sind Sie eigentlich? Und was machen Sie hier? Das Grundstück ist doch von der Polizei abgesperrt.«
Die Frau schnaubte empört. »Nur nicht unverschämt werden, Fräulein!«, rief sie mit schriller Stimme. »Ich darf hier ein und aus gehen, solange ich will. Ich bin die Putzfrau. Schließlich muss sich ja einer um die Fische kümmern, bis alles geregelt ist.«
Katrin wandte sich ab und lief zur Straße. Ohne sich noch einmal umzudrehen, sprang sie über die Absperrung. Drei Jungen mit Schultaschen auf dem Rücken rannten feixend vorbei. Ein vierter folgte ihnen in gemächlichem Tempo. Er hielt den Kopf gesenkt und hatte eine Dose unter den Arm geklemmt. Als er auf Katrins Höhe war, erkannte sie, dass es Hundefutter war. Der Junge besaß einen Hund. Dann kannte er sicherlich auch Flips.
»Hallo! Ich sehe, du hast für deinen Hund eingekauft. Was ist es denn für einer? Auch ein Rauhaardackel wie der Flips von der Frau Hirschwedder ? Den kennst du doch sicher?«
Der Junge blickte erschrocken hoch. Er hatte rote Haare und das ganze Gesicht voller Sommersprossen.
»Entschuldige«, murmelte Katrin. »Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich suche Flips. Kennst du ihn?«
Der Junge blickte unsicher nach rechts und links, dann nickte er stumm.
»Und? Hast du ihn in den letzten Tagen gesehen?«
Er schüttelte heftig den Kopf, dann rannte er los und verschwand in dem Fußweg, der die Silcherstraße mit der Flotowstraße verband.
Katrin bemerkte, dass an der Mülltonne auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Frau stand und sie beobachtete. Sie hieß Tanja Breitner und hatte zwei Söhne, einen Kater und drei Meerschweinchen. Das wusste Katrin, denn sie hatte sie bereits nach Flips gefragt. Entschlossen überquerte sie die Straße und ging auf Frau Breitner zu. »Entschuldigung. Wissen Sie, was mit dem Jungen los ist? Ich habe ihn nur was gefragt, und er ist davongelaufen, als wäre der Teufel hinter ihm her.«
»Kümmern Sie sich nicht drum.« Die Frau lächelte. »Der Jan ist furchtbar schüchtern. Die anderen Kinder spielen nicht mit ihm, er hockt immer allein zu Hause. Kann einem schon leid tun, der Bursche. Ich habe ja auch zwei Jungs in dem Alter. Die sind allerdings ganz anders, das können Sie mir glauben. Zweimal habe ich den Jan zu uns eingeladen. Weil ich Mitleid hatte. Aber meine Söhne haben sich beschwert: Mit dem kann man gar nichts spielen. Der redet nicht. Der ist langweilig. Na ja, was soll man da tun?«
»Dann ist es ja ein Trost für den Jungen, dass er wenigstens den Hund hat.«
»Hund? Was für einen Hund? Der Jan hat keinen Hund. Das wüsste ich aber. Die Spielmann lässt keine Tiere in ihr Haus. Die hat so ’ nen Putzfimmel, wissen Sie. Kein Wunder, dass der Junge so komisch ist. Vermutlich darf der nur auf Socken durchs Haus schleichen. Was wollten Sie denn vom Jan?«
»Ich hatte die –« Katrin stockte, ihre Gedanken überholten ihre Worte. »Ich suche doch den Hund von Frau Hirschwedder . Danach habe ich ihn gefragt.«
»Ach so.« Glücklicherweise gab sich Frau Breitner mit dieser Erklärung zufrieden. »Ich glaube nicht, dass das Tier wieder auftaucht. Wenn Sie mich fragen, den hat jemand geklaut, jede Wette. So, jetzt muss ich aber. Die Jungs kommen gleich aus der Schule, und das Essen ist noch nicht fertig.«
Katrin blickte nachdenklich in die Richtung, in der Jan verschwunden war. Was machte jemand, der kein Haustier besaß, mit einer Dose Hundefutter?
10
»Ach, Sie.« Silke Scheidt zog die Wohnungstür auf. »Sie geben wohl nie Ruhe.«
Katrin grinste. »Das sagt man mir nach.«
Silke führte Katrin ins Wohnzimmer, das klein und sehr aufgeräumt war, lediglich auf der Couch türmten sich Decken und Kissen. Es war sehr warm. »Ich hatte mich ein bisschen hingelegt«, erklärte Silke und schob die Kissen beiseite. »Setzen Sie sich doch.« Katrin hockte sich auf die Sofakante. »Ich wollte nicht stören. Nur einfach sehen, ob es Ihnen gut geht. Es hat mir keine Ruhe gelassen.«
»Wie haben Sie mich gefunden?« Silke hatte sich ebenfalls auf das Sofa gesetzt und in eine Decke gehüllt. Sie nahm eines der Kissen und umarmte es wie ein Kuscheltier, während sie sprach.
»Sie haben mir Ihren Namen gesagt. Sie stehen im Telefonbuch. Es gibt nur eine Silke Scheidt in Düsseldorf.« Katrin öffnete die Jacke. Schweißtropfen sammelten sich auf ihrer Stirn und im Nacken.
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