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KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

Titel: KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Zipfel
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Ausdrucksweise.
    »Na gut, dann kommen Sie halt in Gottes Namen herein«, sagte sie merklich konzilianter, bevor sie in der nächsten Sekunde fortfuhr, resolut wie zuvor: »Aber putzen Sie sich die Schuhe ab!«
    Das war gelungen: Der ganze Hof ein einziger Schweinestall, aber an meinen Schuhen rummäkeln! Ich malträtierte mit demonstrativem Eifer die Fußmatte, deren Aufnahmefähigkeit schon seit Urzeiten erschöpft schien. Bei Sonia drückte Marias Mutter wohlwollend ein Auge zu. Sonia sah einfach nicht so aus, als ob an ihr jemals Schmutz kleben könnte. Dann folgten wir der Bunzenbichlerin ins Innere.
    An Holz hatte man beim Bau dieses Palastes sichtlich nicht gespart, soweit man das in der klammen Dunkelheit beurteilen konnte. Dafür aber an Fenstern. Es gab zu wenige, und die, die es gab, waren entschieden zu klein und ließen das Sonnenlicht nur in homöopathischen Häppchen herein. Mangels Sichtweite donnerte ich mit meinem Schädel gegen das knorrige Eichengebälk, das den Eingang zur guten Stube umfasste. Der Zusammenprall klang hohl in die Stille. Und das lag weniger am Gebälk. Musste ich zugeben. Hinter mir hörte ich Sonia laut durch die Zähne zischen. Sie solidarisierte sich mit meinem Schmerz. Wirklich reizend von ihr!
    Die Wohnstube war von derber Gemütlichkeit. Rechts ein riesiger Kachelofen mit fast quadratischer Grundfläche und einer Sitzbank drum herum. Darauf ein halbes Dutzend flacher Sitzkissen, hellblau und wild gemustert. Auf der linken Seite, ums Eck, ein Bauernstuben-Ess-Ensemble aus Eichenholz, Inbegriff des »rustikalen Ambiente«, mit dem sich auch viele Großstädter so gerne umgeben. Vor allem da, wo die Stadt besonders groß, die Häuser besonders hoch und die Fahrstühle besonders versaut sind. Mit einem Unterschied allerdings: Hier waren das Ambiente echt und die Möbel stabil.
    Ländlich war auch die Herrgottsecke über der Essecke in der Zimmerecke. Auf dem Regalbrett mit dem leuchtend roten Windlicht ein Porträt der Muttergottes, die verklärt und fromm und leer zum Himmel blickte, daneben ein Foto in üppig verziertem Rahmen. Sonia ging ganz in unserer Reporter-Legende auf und fotografierte eifrig alles von allen Seiten. Es blitzte, klickte, surrte, und Agnes Bunzenbichler schien davon sichtlich beeindruckt.
    Dann nahmen wir Platz, Marias Mutter direkt unter dem Herrgottswinkel, Sonia daneben und ich – mit Stift, Notizbuch und einem Gesicht, als wollte ich die Beichte abnehmen – beiden gegenüber.
    »Erzählen Sie uns ein bisschen über Ihre Tochter, Frau Bunzenbichler. Wie war Maria als Kind? Wir haben gehört, dass sie eine besonders gute Schülerin war, stimmt das?« fragte ich ins Blaue hinein. Gleichzeitig legte Sonia, aus einem unbestimmten, aber absolut treffsicheren Impuls heraus, fast zärtlich ihre Hand auf Agnes Bunzenbichlers Unterarm. Die Wirkung ihrer kleinen Geste war enorm: Man konnte fast spüren, wie eine Welle sehnsüchtiger Erinnerung in Marias Mutter hoch schwappte und ihr Misstrauen verdünnte.
    »Oh ja, die Maria ist ein schlaues kleines Maderl gewesen! Hat immer nur lauter Einser und Zweier gehabt. Besonders rechnen hat sie gerne mögen. Und so schöne Aufsätze geschrieben. Das Lernen ist ihr immer leicht gefallen.«
    »Da waren Sie doch sicher mächtig stolz auf die Maria, was?«, sagte ich.
    »Und wie! Deshalb wollte ich auch unbedingt, dass sie auf die Oberschul’ nach Rosenheim geht, dass sie weiterkommt im Leben, sich bildet. Dass sie mehr Möglichkeiten bekommt als unsereins. Wir waren halt immer einfache Bauersleut‘, der Josef und ich. Aber die Maria, die sollte mal was Besseres werden. Aber das war ein Kampf, das kann ich Ihnen sagen.«
    »Ein Kampf? Inwiefern?«
    »Weil mein Mann dagegen war, dass die Maria in Rosenheim zur Schule geht. Aber die Maria hat ihren Dickkopf gehabt, und wie! Sie hat immer genau gewusst, was sie wollte. Schon als Kind. Und sie wollte halt unbedingt aufs Gymnasium. Ich fand das ganz richtig und hab’ sie unterstützt so gut ich konnte. Und ich fand auch ganz richtig, dass sie schon damals als Schülerin ihr eigenes Geld verdient hat. Schließlich hat der Josef sie immer so kurz gehalten. Aber das mit ihrer Arbeit hat er nie erfahren dürfen. Das hätt’ was gegeben, jähzornig, wie er sein konnte! Das dürfen Sie jetzt aber nicht schreiben in Ihrem Hefterl, hören Sie!«
    »Versprochen! Aber sagen Sie: Womit hat die Maria damals ihr eigenes Geld verdient?«
    »Mit so kleinen Aushilfsarbeiten halt. Im

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