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KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

Titel: KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Zipfel
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Bild zusammenfügen konnte.
    »Eine letzte Frage hätte ich noch, Frau Bunzenbichler: Können Sie sich noch an den Namen eines Lehrers oder einer Lehrerin vom Gymnasium erinnern? Vielleicht jemand, den Maria besonders mochte?«
    »Frau Brandner, die Klassenlehrerin. Von der hat Maria regelrecht geschwärmt. Sie hat gemeint, die Frau Brandner würde ihr in jedem Fall ...«
    Mitten in ihren letzten Satz blökte das Vieh, dass es einem durch Mark und Bein ging. Dabei war es eigentlich noch viel zu früh zum Melken, wie ein verstohlener Blick auf die Uhr bewies. Und Agnes Bunzenbichler wurde mit einem Schlag kreidebleich.
    Ich schaute verwundert Sonia an, Sonia schaute verwundert mich an, dann schauten wir beide verwundert Marias Mutter an, die plötzlich aufsprang und mit schriller Stimme rief: »Sie müssen jetzt gehen, sofort! Ich hab’ jetzt keine Zeit mehr, gar keine Zeit. Und ich habe Ihnen auch schon alles gesagt!«
    Die Geräusche aus dem Stall, oder woher auch immer, wurden seltsamer und seltsamer: erst dieses Blöken, dann so etwas wie schrille Aufschreie, die in ein ungleichmäßiges Lallen übergingen und zuletzt in stumpfsinniges Grunzen.
    Wir waren kaum aufgestanden, als Agnes Bunzenbichler uns mit erstaunlicher Kraft durch den Flur Richtung Haustür schob. Die seltsamen Geräusche kamen aus dem entgegengesetzten Teil des Flurs. Ich drehte mich noch einmal um und sah einen Lichtstrahl durch eine geöffnete Tür auf die Dielen des Holzbodens fallen. Aufgewirbelte Staubkörner tanzten darin wie winzige, selbstvergessene Primaballerinchen.
    Marias Mutter drängte uns immer nachdrücklicher zum Ausgang, so vehement, dass wir fast strauchelten. Schließlich stolperten wir ins Freie und hinter uns fiel krachend die Tür ins Schloss. So schnell war ich noch nie irgendwo hinausbefördert worden. Und Sonia schon gar nicht, darauf wettete ich.
    Wir gingen, mehr verdutzt als verärgert, über die verschmierte Einfahrt zu unserem Wagen, vorbei an dem riesigen Misthaufen, von dem dampfende Schwaden in den Nachmittagshimmel stiegen. Und weil wir beide nichts zu sagen wussten, schwiegen wir.
    Durch die geschlossenen Autotüren hörten wir den Hund, der unablässig jaulte und bellte, die scheuernde Leine immer noch zwischen den Hinterbeinen. Heiliger Donnerbalken – dachte ich, wenn der so weiter macht, dann wird er bald ein glockenhelles Stimmchen haben!

10
    In der Altstadt von Rosenheim leuchteten die bunten Fassaden der Häuser in der Nachmittagssonne. Ich stellte den Wagen vor der Stadtsparkasse ab. Ihren Architekten schien mitten im Bau der Mut verlassen zu haben, und so wirkte das moderne Gebäude zwischen seinen gediegenen Nachbarn statt kühn allenfalls aufmüpfig und so passend wie ein abgebissener Fingernagel an einer gepflegten Frauenhand.
    Wir stiegen aus. An der elektrischen Eingangstür der Sparkasse versuchte eine ältere Frau mit ihrer Scheckkarte hineinzukommen. Man sah ihr die wachsende Verzweiflung an. Offensichtlich hatte sie schon einige Möglichkeiten durchprobiert, die Karte richtig herum in den Schlitz zu stecken. Vergeblich. Mit meinem charmantesten Lächeln stellte ich mich neben sie und öffnete stumm die Hand. Sie legte ihre Karte hinein, ich schob sie in den Schlitz und, Simsalabim, die Glastür öffnete sich mit einem gelangweilten Zischen. Ich gab die Karte mit einer angedeuteten Verbeugung zurück und erntete einen Blick voller Dankbarkeit. So leicht war es manchmal, hilfreich und gut zu sein!
    »Ich brauche jetzt unbedingt etwas zu trinken! Gehen wir da drüben ins Eiscafé?« fragte Sonia.
    »Nichts gegen italienische Eiscafés, aber ich würde ausnahmsweise einen urbayerischen Gasthof bevorzugen.«
    Wir überquerten die Straße und steuerten auf die Fassade mit der schwungvoll verschnörkelten Aufschrift »Zum Goldenen Hirschen« zu. Unter den Fenstern hingen Blumenkästen mit üppig rankenden Geranien, eine Lüftlmalerei über dem Eingang zeigte einen sehnigen Bauern mit Pflug und Ross beim Bestellen der heimischen Scholle.
    Im Gastraum des »Goldenen Hirschen« war um diese Zeit so viel los wie draußen auf der Straße. Nämlich nichts. Ohne uns abzusprechen, strebten wir auf einen der Eckplätze zu und nahmen an einem rustikalen Holztisch Platz, der alt und zerfurcht war wie das Gesicht eines Hundertjährigen. Mitten auf der Tischplatte ein dunkelgrünes, stellenweise ins hellgrüne verblichene Stoffdeckchen, darauf eine kugelige Vase mit echten Plastikblumen und das bewährte Set

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