Katzen jagen nachts
wette, daß sie ihre Mutter wegen des Briefes herbeigerufen hat.«
»Ich weiß, ich weiß«, sagte Belder. »Alles hängt an diesem Brief. Sobald sie ihn bekommen hat, hat sie sich an die Strippe gehängt, um ihre Mutter einzuweihen. Eine schöne Geschichte.«
»Wenn Sie mich fragen, ist das eine großartige Gelegenheit, die Sache jetzt ein für allemal ins reine zu bringen. Zeigen Sie ihr, wer der Herr im Haus ist. Hören Sie auf, ihr Honig ums Maul zu schmieren. Sie übertreiben es. Und es nützt nichts. Eine Frau wie die läßt sich nicht beschwichtigen. Sie...«
»Bitte nicht so laut«, bat Belder beschwörend. »Ich...«
»Everett«, ließ sich Mrs. Goldring vernehmen. »Kannst du uns nicht wenigstens ein paar Minuten deiner kostbaren Zeit widmen? Wir machen uns wirklich Sorgen um Mabel.«
»Ja, ja, ich komme schon.«
»Los, gehen Sie hinein«, befahl Bertha. »Und zeigen Sie den beiden Weibern, wer die Hosen anhat.«
»Gehen Sie jetzt«, flüsterte Belder, seinen Blick auf die offene Tür geheftet. »Bitte!«
»Na gut.« Bertha marschierte auf den Gang hinaus. Vier oder fünf Sekunden stand sie vor der geschlossenen Tür, dann drehte sie sich um und riß die Tür wieder auf.
»Mir ist eingefallen, daß ich noch etwas fragen wollte«, sagte Bertha zu Imogene Dearborne. »Ich möchte Ihnen eine Aktennotiz an Mr. Belder in die Maschine diktieren.«
Imogene Dearborne spannte einen Bogen ein. Bertha diktierte: »Nehmen wir einmal an, Sie melden das Auto Ihrer Frau als gestohlen. Sie können hinterher sagen, Sie haben sich geirrt. Die Polizei würde den Wagen ausfindig machen...«
Imogenes Finger flogen über die Tasten und hielten inne, als Bertha zögerte.
Bertha Cool betrachtete stirnrunzelnd den beschriebenen Bogen. »Hm — vielleicht geht es doch nicht so. Ich will es mir noch einmal überlegen. Vielleicht rufe ich ihn auch lieber an.« Sie zog den Bogen aus der Maschine und ließ ihn ganz nebenbei in ihrer Handtasche verschwinden. »Ich melde mich wieder.«
Imogene Dearborne betrachtete Mrs. Cool unbewegt aus schiefergrauen Augen.
»Sie sind ja medaillenverdächtig im Maschineschreiben«, sagte Bertha.
»Vielen Dank.«
»Üben Sie viel?«
»Zwangsläufig. Wir haben ziemlich viel zu tun.«
»Wahrscheinlich haben Sie zu Hause auch eine Maschine?«
»Ja.«
»Eine Reiseschreibmaschine?«
»Ja.«
Bertha Cool lächelte. »Vielen Dank.«
Imogene Dearborne sah ihr unbeweglich nach.
6
Gegen drei Uhr fünfzehn meldete sich Belder bei Bertha Cool im Büro.
»Alles in Ordnung?« fragte Bertha, nachdem sie seine Stimme erkannt hatte.
»Ich fürchte, Mrs. Cool, der Fall liegt komplizierter, als ich angenommen hatte.«
»Was gibt’s denn jetzt?«
»Mrs. Goldring ist nicht zufällig hier. Dieser verflixte Brief hat allerhand Unheil angerichtet. Sally ist offenbar schon fort, und wer weiß, ob meine Frau nicht auch verschwinden will. Möglicherweise hat sie sich mit der Absenderin getroffen. Ich kann hier nicht ausführlicher werden...«
»Und Ihre Schwiegermutter weiß nicht, wo Mabel ist?«
»Nein. Sie hängt an mir wie eine Klette. Ich kann absolut nichts unternehmen...«
»Wo sind Sie jetzt?«
»Draußen in meinem Haus.«
»Und Ihre Schwiegermutter?«
»Die auch. Sie folgt mir auf Schritt und Tritt.«
»Warum sind Sie nicht im Büro geblieben und haben die Gute einfach an die frische Luft gesetzt?«
»Probieren Sie mal, meine Schwiegermutter an die frische Luft zu setzen!«
»Blödsinn«, schnaubte Bertha. »Ich hab’ so das Gefühl, Mrs. Goldring weiß, wo Ihre Frau ist, und will Sie nur an der Nase herumführen. Nur keine falschen Hemmungen!«
»So einfach ist das nicht, Mrs. Cool. Nehmen wir einmal an, Mabel hat sich mit dem Absender des anonymen Briefes getroffen und sich noch weitere Lügen auftischen lassen. Nehmen wir an, sie hat beschlossen, mich zu verlassen. Da blieb mir doch gar nichts weiter übrig, als nach Hause zu fahren, um sie eventuell abzufangen, wenn sie noch einmal wiederkommt, um ihre Sachen zu holen. Wir brauchen jetzt einfach einen Aufschub. Es ist eben Pech auf der ganzen Linie. Rufen Sie Nunnely an, oder, noch besser, gehen Sie zu ihm, bitten Sie ihn, den Termin um vierundzwanzig Stunden zu verlängern. So lange wird er Ihnen wahrscheinlich nicht geben. Vielleicht lehnt er es überhaupt ab. Aber versuchen muß man’s.«
Von einer Minute zur anderen verfiel Belder in jenen zuckersüßen Ton, den er offenbar für seine Schwiegermutter reserviert hatte.
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