Katzen jagen nachts
Füße sogar«, bekräftigte Bertha. »Wie hörte sich denn seine Stimme an? Unruhig?«
»Nein. Unpersönlich wie immer.«
»Ach, zum Kuckuck mit ihm. Ich...«
Die Tür tat sich auf, und Everett Belder stürmte herein. »Mein Gott, Mrs. Cool«, blubberte er los. »Was sollen wir bloß machen...«
»Regen Sie sich nicht künstlich auf«, sagte Bertha. »Was ist denn jetzt wieder schiefgegangen?«
»Sie haben gut lachen! Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Wissen Sie schon das Neueste? Meine Frau hat mich verlassen. Mit meinem ganzen Geld. Mit jedem Cent, allen Verträgen. Sogar die Büroeinrichtung geht auf ihren Namen.«
Bertha betrachtete ihn einen Augenblick stumm. Dann sagte sie: »Na, ich sehe schon, die Einzelheiten bleiben mir doch nicht erspart. Meinetwegen — kommen Sie herein.«
Bevor Bertha die Tür zu ihrem Heiligtum noch geschlossen hatte, legte Belder schon los.
»Sie ist gegen mich beeinflußt worden. Und jetzt ist sie einfach auf und davon.«
»Ohne ihre Sachen?« fragte Bertha.
»Sie ist zwischendurch noch mal dagewesen, Mrs. Cool!«
»Schon schlechter.«
»Ich habe es erst vor einer halben Stunde gemerkt«, fuhr Belder fort. »Natürlich hatte ich schon in ihren Kleiderschrank gesehen, aber die Kleider hingen alle ordentlich auf den Bügeln. Es schien nichts zu fehlen. Aber als Mrs. Goldring und Carlotta immer unruhiger wurden und noch einmal genau nachsahen, vermißten sie das blaue Kostüm, einen karierten Rock, eine Bluse, zwei Paar Schuhe...«
»Zahnbürste?« fragte Bertha.
»Ja, eine Zahnbürste aus dem Badezimmerschrank.«
»Hautcreme?«
»Das war ja der Trick, Mrs. Cool. Ihre Cremetöpfe und Lotions standen völlig unberührt auf dem Ankleidetisch.«
»Hm«, knurrte Bertha. »Vorhin, als ich sie beobachtete, verließ sie das Haus ohne Koffer.«
»Ich denke mir das so: Sie wollte nach dem Gespräch mit dem anonymen Briefschreiber ihre Mutter vom Bahnhof abholen. Aber etwas, das sie erfahren haben muß, hat ihre Pläne offenbar völlig über den Haufen geworfen. Sie fuhr nach Hause, warf ein paar Sachen in einen Koffer und machte sich davon. Entweder hatte sie den Besuch ihrer Mutter total vergessen, oder das andere war ihr wichtiger. Solange ich sie nicht erreichen kann, sind mir die Hände gebunden. Könnten Sie Nunnely dazu bringen, bis morgen zu warten?«
»Nun regen Sie sich doch wieder ab«, sagte Bertha geduldig. »Sie sind ja ganz aus dem Häuschen. Höchstwahrscheinlich hat Ihre Frau Sie gar nicht verlassen. Nachdem sie all den Blödsinn über den Herrn Gemahl gelesen hat, wollte sie Ihnen eine Lektion erteilen.«
»Meinen Sie?«
»Natürlich. Ihre Frau wollte Ihnen einen tüchtigen Schreck einjagen. Das ist ihr gelungen. Schwiegermama ist in alles eingeweiht. Sobald Ihre Frau glaubt, sie hat ihren Zweck erreicht, taucht sie wieder auf. Mit Ihrer Schwiegermutter steht sie in Verbindung und weiß daher, was sich bei Ihnen zu Hause abspielt. Deshalb hat sie ja ihre Mutter überhaupt nur herbeordert. Nun fahren Sie mal schön zurück, und tun Sie so, als ob es Ihnen völlig piepe sei, wo Ihre Frau sich versteckt hält. Bei aller Liebe — sie ist nicht das einzige weibliche Wesen in Los Angeles... Sie brauchen es gar nicht zu übertreiben, aber Ihre Schwiegermutter soll ruhig merken, woher der Wind weht. Dann machen Sie einen kleinen Spaziergang und kommen nach einer halben Stunde wieder nach Hause. Inzwischen hat Ihre Schwiegermutter Ihre Frau anrufen können. Sie sollen mal sehen, wie schnell die liebe Ehehälfte wieder angerauscht kommt, wenn sie hört, daß Sie sich von dem Schock erholt und schon andere Frauen im Kopf haben.«
»Das ist noch nicht alles«, fuhr Belder fort. »Es ist schon wieder einer angekommen.«
»Einer?«
»Ein Brief.«
»Her damit!«
Belder reichte ihr einen zugeklebten, an »Mrs. Everett Belder« adressierten Briefumschlag.
Bertha betrachtete den Umschlag, die Briefmarke, den verwischten Stempel. »Wo kommt der Wisch her?«
»Er war in der Nachmittagspost.«
»Haben Sie die in Empfang genommen?«
»Leider nicht. Meine Schwiegermutter. Sie hat die Post auf einen kleinen Tisch in der Diele gelegt. Aber diesen Brief hat sie sich ziemlich genau angesehen, noch genauer als die anderen Sendungen. Wahrscheinlich wünscht sie sich Röntgenaugen. Na, verdenken kann ich’s ihr nicht. Auf dem Umschlag ist weithin sichtbar vermerkt: Persönlich und vertraulich.««
»Woher wollen Sie wissen, daß es wieder ein anonymer Brief ist?«
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