Katzen jagen nachts
fragte Bertha.
»Die Schrift ist genau wie bei dem ersten.«
Bertha sah sich die Lettern unter der Lupe an. Dann nickte sie. »Was wollen Sie jetzt anfangen?«
»Ich habe keine Ahnung. Deshalb komme ich zu Ihnen.«
»Wissen Sie, was drinstehen könnte?«
»Nein.«
»Könnten Sie ihn einfach verschwinden lassen? Verbrennen, zum Beispiel?«
»Nicht nachdem ihn meine Schwiegermutter gesehen hat. Wenn Mabel zurückkommt, wird Mrs. Goldring sich dazusetzen, wenn sie die Post aufmacht.«
»Und wenn der Brief dann nicht mehr da ist?«
»Wird sie mir vorwerfen, daß ich ihn an mich genommen habe. Das fehlte mir gerade noch! Selbst wenn Mabel zurückkommt...«
»Natürlich kommt sie zurück«, tröstete Bertha. »Wir könnten ihn über Dampf aufmachen.«
»Ist das nicht strafbar?«
»Wahrscheinlich«, meinte Bertha ungerührt. Sie ging zur Tür. »Elsie, schalte die elektrische Kochplatte ein und setz den Teekessel auf. Ich möchte einen Brief aufdampfen.«
Elsie brachte einen kleinen elektrischen Kocher herein, schloß ihn an und setzte einen kleinen Wasserkessel auf.
»Noch etwas?«
»Nein, danke.« Dann setzte sie sich vor den Kocher. »Ihnen ist die Sache ganz schön an die Nieren gegangen, was?«
»Das kann man wohl sagen. Es ist einfach zuviel auf einmal. Mabel fort. Die Sache mit Nunnely. Der unerwartete Besuch von Mrs. Goldring. Wenn ich nur wüßte, wo Mabel steckt! Diese Ungewißheit macht mich ganz krank. Wenn sie mich verlassen hätte und es mir offen sagen würde, dann wüßte ich wenigstens, woran ich bin.«
Bertha ging hinüber zum Papierkorb und begann, in dessen Inhalt herumzuwühlen. Dann richtete sie sich auf und hielt triumphierend einen zerknüllten Bogen hoch.
»Was ist das«, fragte Belder.
»Reklame von einem Pelzgeschäft. Sachgemäße Lagerung Ihrer wertvollen Pelzmäntel während des Sommers. Können wir vielleicht noch gebrauchen.«
»Das kapiere ich nicht.«
Bertha grinste. »Ist auch nicht nötig.«
Sie saßen einige Minuten schweigend; Belder war zappelig und nervös, Bertha die Ruhe selbst.
Der Teekessel begann zu singen und einen dicken Dampfstrahl auszuspucken.
Bertha hielt den Umschlag über die Tülle.
»Sieht man nicht hinterher, daß der Umschlag geöffnet worden ist?« fragte Belder.
»Nicht bei mir.«
Bertha schob vorsichtig einen Bleistift zwischen Umschlagklappe und Umschlag.
»Ich verstehe mein Handwerk.«
Noch zweimal hielt sie den Brief über den Dampf, dann rollte sich die Umschlagklappe von selbst zurück.
»Ähnelt dem ersten wie ein Ei dem andern. Die gleiche Unterschrift. >Jemand, der es gut mit Ihnen meint.< Soll ich vorlesen?«
»Ich werde mir den Schrieb mal anschauen«, sagte Belder und streckte die Hand aus. Aber er zitterte so heftig, daß das Blatt sanft zu Boden segelte.
»Lesen Sie vor«, bat er Bertha.
Bertha räusperte sich:
»Liebe Mrs. Belder,
wer war die Frau, die am Montagnachmittag zu Ihrem Mann ins Büro kam? Sie warf ihm die Arme um den Hals und küßte ihn ab, kaum daß sich die Bürotür hinter ihr geschlossen hatte. Wollen Sie Näheres von mir hören? Oder wollen Sie weiter den Kopf in den Sand stecken? Zu der ersten Lösung rät Ihnen — jemand, der es gut mit Ihnen meint.«
Bertha musterte über ihre Zweistärkenbrille hinweg Belders verstörtes Gesicht. »Wer war das Mädchen?« fragte sie.
»Das kann unmöglich jemand erfahren haben.«
»Wer war sie?«
»Dolly Cornish .«
»Und wer ist Dolly Cornish?«
»Eine Jugendfreundin, die ich beinahe geheiratet hätte. Eines Tages bekamen wir Streit. Da heiratete ich eine andere. Vielleicht, um ihr zu zeigen, wie gut ich ohne sie auskam. Kurz darauf hat auch sie geheiratet.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Ich... Sie ist irgendwo hier in der Stadt.«
»Haben Sie ihre Adresse?«
»Ich — äh...«
»Ja oder nein?«
»Ja.«
»Wo wohnt sie also?«
»In den Locklear Apartments. Fünfzehn B.«
»Was hat sich nun eigentlich wirklich am Montag zugetragen?«
»Sie hat mich besucht.«
»Tut sie das öfter?«
»Ach wo. Ich hatte sie seit meiner Hochzeit nicht mehr gesehen.«
»Wohnte sie auch hier in Los Angeles?«
»Nein. In New York.«
»Nun mal weiter im Text.«
»Als sie nach Los Angeles kam, fragte sie sich, wie es mir wohl ergangen sein mochte in all den Jahren. Ihre eigene Ehe war unglücklich gewesen, und sie hatte sich kurzerhand scheiden lassen. Sie wußte nicht, ob ich noch mit Mabel verheiratet war. Sie hat sich meine Adresse herausgesucht und mich
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