Katzen jagen nachts
Bemerkungen wurden durch den Türsummer jäh unterbrochen. Der tickende Wecker informierte sie, daß es zehn Minuten nach neun war.
Langsam wurde es warm in der Wohnung. Bertha warf die Bettdecke zurück.
Der Türsummer gab keine Ruhe. Bertha stellte sich taub. Sie zog einen Morgenmantel über, ging ins Bad und drehte die Dusche an. In diesem Augenblick begann der Besucher energisch an die Tür zu klopfen.
Unter lautstarken Unmutsbezeugungen verließ Bertha das Badezimmer. Sie trocknete sich ab, wickelte sich in ein großes Badetuch und rief: »Wer ist da?«
»Ist dort Bertha Cool?« erkundigte sich eine Männerstimme.
»Wer denn sonst?« fragte Bertha empört zurück.
»Hier Sergeant Sellers. Bitte öffnen Sie!«
Sekundenlang blinzelte Bertha fassungslos die geschlossene Tür an. Dann verkündete sie: »Ich dusche gerade. Sie können mich im Büro sprechen, und zwar« — sie warf einen hastigen Blick zur Uhr —, »und zwar um Viertel nach zehn.«
»Bedaure«, meinte Sellers. »Aber es muß gleich sein.«
»Moment. Ich muß mir erst was anziehen«, sagte Bertha unfreundlich.
Sie ging ins Schlafzimmer und rubbelte sich mit dem rauhen Handtuch ab.
Währenddessen trommelte Sergeant Sellers weiter unrhythmisch an die Tür.
Schließlich hielt es Bertha nicht mehr aus. Sie zog ihren Morgenmantel an und riß die Tür auf. »Nur weil Sie ein kleiner Polizist sind«, wütete sie, »glauben Sie, daß Sie jederzeit ungebeten hier einfallen können. Andere Leute wollen noch schlafen.«
»Es ist Viertel nach neun«, sagte Sellers grinsend und ging gelassen an Bertha vorbei ins Zimmer.
Bertha stieß die Tür mit dem Fuß zu und musterte ihn unfreundlich. »Sie können auf Ihre Dienstmarke getrost verzichten. Daß Sie ein Bulle sind, sieht ein Blinder mit ’nem Krückstock. Nur unser Freund und Helfer überfällt eine Dame, wenn sie noch nicht angezogen ist, behält den Hut auf dem Kopf, raucht eine zerknautschte Zigarre und verpestet die Wohnung, bevor ich gefrühstückt habe.«
Sellers amüsierte sich. »Sie könnten mich ganz schön auf die Palme bringen, Bertha, wenn ich nicht wüßte, daß unter der rauhen Schale ein goldenes Herz schlägt. Wenn ich daran denke, wie Sie mir neulich bei einem Fall aus der Patsche geholfen haben, müßte ich Sie eigentlich jedesmal, wenn ich Sie sehe, zu einem Drink einladen.«
»Dafür kauf’ ich mir auch nichts«, schnaubte Bertha. »Nicht mal ärgern kann ich Sie! Na meinetwegen, setzen Sie sich und lesen Sie die Zeitung. Aber schmeißen Sie um Himmels willen diesen stinkenden Stumpen aus dem Fenster. Ich will mir die Zähne putzen und...«
Sergeant Sellers zündete die kalte feuchte Zigarre wieder an und schob den Hut ins Genick. »Die Zeitung kenne ich schon, und Ihre Zähne können warten. Was haben Sie mir über Mrs. Everett Belder zu sagen?«
»Was geht Sie das an?« fragte Bertha, sofort auf Lauerposten.
»Scheint nicht gerade eine sehr ordentliche Hausfrau zu sein.«
»Nein?«
»Nein. Läßt Leichen im Keller rumliegen und vergißt das Wiederkommen.«
»Sagen Sie mal, wovon reden Sie eigentlich?«
»Von einer Leiche in Mrs. Everett Belders Keller.«
Bertha Cool wurde so vorsichtig wie eine sehr alte, sehr erfahrene Forelle in einem tiefen Gebirgssee, die eine Fliege über der Wasseroberfläche tanzen sieht. »Wen hat sie umgebracht? Ihren Mann?«
»Ich habe nicht gesagt, daß sie jemanden umgebracht hat. Nur daß sie Leichen in ihrem Keller herumliegen läßt.«
»Ach so. Na, dann ist ja alles nur halb so schlimm.«
»Sie werden die Polizei doch sicherlich unterstützen.«
»Wieso sollte ich?«
»Weil Sie im Geschäft bleiben wollen.«
»Klar.« Bertha ließ Sellers nicht aus den Augen. »Bei der Aufklärung eines Mordes bin ich der Polizei natürlich gern behilflich, aber was kann ich dafür, wenn eine Frau zur Unordnung neigt? Wie viele Leichen waren’s denn?«
»Nur eine.«
»Das ist doch noch gar nichts. Ich habe von Leuten gelesen, die tage- und wochenlang mit mehr als einem Dutzend Leichen unter einem Dach gelebt haben. Und wenn das — das Ding noch nicht so lange daliegt, könnte es auch sein, daß sie...«
Sellers lachte leise auf. »Mir machen Sie nichts vor, Bertha.«
»Aber mir vielleicht.«
»Wenn Sie das Katz- und Mausspiel aufstecken, können wir vielleicht mal zum Thema kommen.«
»Wer spielt denn Katz und Maus?«
»Sie.«
»Ich? Wie käme ich dazu?«
»Weiß nicht«, sagte Sellers ungerührt. »Aber das kenne ich schon bei
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