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Katzenbach: Kriminalroman (German Edition)

Katzenbach: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Katzenbach: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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finden, was einem
Täter zugeordnet werden kann.«
    »Habt ihr
vielleicht feine, dunkle Haare gefunden, etwa zwei Zentimeter lang?«
    Saxer schüttelte
den Kopf. »Bis jetzt nicht.«
    »Fußabdrücke,
die das Bord hinab zum Wasser führen?«
    »Ja, mehrere,
jede Schuhgröße.«
    »Macht weiter.
Vielleicht stoßt ihr auf irgendetwas, was euch ungereimt erscheint.«
    Saxer zuckte
die Schultern und wandte sich wieder seinen Mitarbeitern zu.
    Streiff
ging zurück. Nadine Attinger war gerade dabei, Zita Elmer zu zeigen, wo der Kinderwagen
gestanden hatte. Plötzlich schwankte sie, ihr Mann fing sie auf. »Sie können ihr
jetzt keine Fragen mehr stellen«, sagte er fest. »Sie muss jetzt ruhen, das ist
alles zu viel für sie.«
    Nadine weinte
wieder, sie bebte. »Wollen Sie vielleicht Ihren Hausarzt anrufen?«, schlug Streiff
vor.
    »Wir werden
sehen«, erwiderte Attinger abwehrend. »Bitte, lassen Sie uns jetzt allein.«
    Streiff
und Elmer verabschiedeten sich. »Wir treffen uns im Büro«, sagte Streiff, »ich fahre
noch rasch bei der Rechtsmedizin vorbei.«
    Katja Keller
hatte Luzia untersucht. Sie hatte noch gelebt, als sie ins Wasser gelangt war. Sie
war ertrunken und sie hatte nicht sehr lange im Bach getrieben. Die Angaben von
Nadine Attinger stimmten mit den Untersuchungsergebnissen überein. Der Gesundheitszustand
des Kindes war gut gewesen; es hatte auch keine Verletzungen aufgewiesen. Ungefähr
anderthalb Stunden vor seinem Tod hatte es Milch getrunken.
     
    Es ist, als ob ein Tsunami über
die Familie hinweggefegt wäre, ging es Leon durch den Kopf, ein Tsunami, der alle
Ordnung, alle Strukturen zerstört und die Menschen ganz nackt zurückgelassen hat.
Eine Familie, die schon vorher nicht auf festem Boden gestanden hatte. Nadine hatte
nach dem Weggang der beiden Polizisten einen Weinkrampf erlitten, aber keinesfalls
gewollt, dass man einen Arzt rief. Stefan hatte ihr ein zweites Seresta verabreicht
und sie ins Bett gebracht. Nun schlief sie. Leon hatte Lotte aus der Nische zwischen
Schrank und Wand hervorgeholt und ihr in behutsamen Worten erklärt, dass Luzia nicht
mehr bei ihnen war, nie mehr da sein würde und dass es ihr dort gut ging, wo sie
jetzt war. »Im Katzenhimmel?«, hatte die Kleine geflüstert. Sonst sagte sie kein
einziges Wort. Sie weinte nicht, sie fragte nichts, sie lehnte sich nur auf dem
Sofa an ihren Vater, saß ganz erstarrt da, ohne sich zu rühren, die Beine angewinkelt,
die Arme um die Knie geschlungen. Plötzlich fiel Leon ein, dass schon Nachmittag
war. Sie alle hatten das Mittagessen völlig vergessen.
    »Lotte,
magst du Spaghetti essen?«, fragte er.
    Sie schaute
ihn an, dann weg, schüttelte nicht einmal den Kopf.
    Leon rief
im Geschäft an und bat seinen Partner, einen Nachmittagstermin entweder zu verschieben
oder selbst zu übernehmen. Stefan meldete seinem Chef, dass er heute nicht mehr
komme. Er saß auf dem Sofa, den Arm um Lotte gelegt, der Blick stumpf, ein Mann,
dessen Leben zerstört war und der nicht mehr weiterwusste. Aber es würde weitergehen.
Es würde der morgige Tag kommen, die nächste Woche und so weiter, und die Familie
musste sie überstehen können. Leon kam sich brutal vor, aber er wusste, dass man
jetzt praktisch denken musste.
    »Kannst
du die nächsten Tage freinehmen?«, fragte er seinen Schwager.
    »Ja«, sagte
Stefan, »ich habe mich für die ganze Woche abgemeldet.«
    Nun wechselte
Leon ins Französische, weil Lotte bei ihnen saß. »Wir müssen etwas für Nadine tun,
sie hat einen Schock, sie kommt nicht allein über die nächsten Tage.«
    »Sie wollte
nie psychologische Hilfe«, murmelte Stefan, »man darf sie jetzt einfach nicht allein
lassen.«
    »Befürchtest
du, sie könnte sich etwas antun?«
    Lotte kletterte
vom Sofa und verschwand in ihr Zimmer.
    »Ich habe
keine Ahnung, ob sie so weit gehen könnte.«
    »Wir rufen
jetzt bei eurem Hausarzt an«, beschloss Leon. »Er soll sie sich anschauen.«
    Stefan hob
den Kopf. »Was meinst du, wer könnte das getan haben?«
    »Falsche
Frage«, sagte Leon, »darum muss sich die Polizei kümmern. Unsere Aufgabe ist es,
uns zu fragen, wie wir Nadine und Lotte über die nächste Zeit bringen können.« Und
dich, fügte er in Gedanken hinzu. Stefan gab sich zwar ruhig, aber, dachte Leon,
auch er hat doch überhaupt keine Kraftreserven mehr, auch er ist zermürbt von den
letzten Monaten. Selbstverständlich stellte er die Frage nach dem Täter. Das tat
auch er, Leon. War es ein Außenstehender, irgendein

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