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Katzenbach: Kriminalroman (German Edition)

Katzenbach: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Katzenbach: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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gelangte man durch eine Terrassentür
direkt auf den Sitzplatz. Die Frau blickte ihnen ängstlich entgegen, als sie die
Wohnung betraten. »Wie geht es Luzia?«, rief sie, bemerkte dann Streiff und schwieg
verwirrt. Hinter ihr wurde die Gestalt eines etwa vierzigjährigen Mannes sichtbar.
    »Nadine«,
sagte Stefan, ging auf sie zu und nahm sie in den Arm. Sie begriff nicht. »Warum
ist sie im Spital? Wie ist sie dort hingekommen? Wie geht es ihr?«, wiederholte
sie.
    »Nadine,
Luzia ist gestorben«, sagte ihr Mann.
    »Tot?«,
fragte Nadine ungläubig. »Gestorben? Aber sie war doch nicht krank. Es ging ihr
gut heute Morgen.« Dann, nach einer Pause: »Tot? Luzia ist tot?« Sie schlug die
Hände vors Gesicht, Schluchzen schüttelte ihren Körper.
    Stefan führte
sie zum Sofa, setzte sich mit ihr hin. Der Mann, das musste wohl Leon, Frau Attingers
Bruder, sein, stand noch immer im Türrahmen. Wo, fragte sich Streiff, war die ältere
Tochter?
    »Luzia ist
im Katzenbach ertrunken«, flüsterte Stefan.
    »Im Bach
ertrunken?«, wiederholte Nadine. »Aber wie ist sie dorthin – wer hat sie –?« Sie
brach ab.
    Streiff
schaltete sich ein. »Das wissen wir noch nicht. Aber wir werden es herausfinden.«
Nadine schaute ihn an, als hätte sie ihn vorhin gar nicht bemerkt. »Streiff, Kriminalpolizei«,
stellte er sich vor.
    »Kriminalpolizei?
Heißt das, dass jemand Luzia –?«
    Streiff
nickte. »Über die Umstände wissen wir noch gar nichts.«
    Nun hatte
die Frau begriffen. Entsetzen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie wurde weiß
und begann heftig zu zittern. Streiff rechnete mit einem Zusammenbruch. Aber sie
flüsterte nur: »Ich habe solche Angst.«
    Der Mann,
der im Türrahmen gelehnt hatte, verschwand und kam eine Minute später mit einer
Tablette und einem Glas Wasser wieder. »Nimm das. Das hilft für den Moment ein wenig.«
Sie schluckte die Tablette widerstandslos. »Solche Angst«, flüsterte sie nochmals.
    Es klingelte.
Das musste Zita Elmer sein. Streiff ging und öffnete. »Ich weiß nicht, ob man die
Frau schon befragen kann, sie steht unter Schock«, informierte er sie. Elmer ging
ins Wohnzimmer. Streiff blickte in ein Zimmer, dessen Tür offenstand. Ein Kinderzimmer.
Zeichnungen waren an die Wand gepinnt, auf einem niedrigen Tischchen stand ein Puppenhaus,
Bilderbücher lagen auf dem Boden und Farbstifte. Das musste das Zimmer des älteren
Mädchens sein. Aber wo war die Kleine? Da regte sich etwas in der Nische zwischen
Schrank und Wand. Da hockte ein kleines Mädchen mit blondem, zerzaustem Haar, den
Daumen im Mund, der Blick scheu und verschreckt.
    »Bist du
Lotte?«, fragte Streiff.
    Die Kleine
schwieg.
    »Ich heiße
Beat Streiff«, sagte Streiff, »ich bin da wegen deinem Schwesterchen.«
    »Bringst
du Luzia zurück?«, flüsterte sie.
    Er schüttelte
den Kopf. »Das kann ich nicht.«
    »Wo ist
Luzia?«, fragte sie.
    Was sagte
man in einem solchen Moment zu einer Fünfjährigen? Im Himmel? Oder bei den Engeln?
Beim lieben Gott?
    »Hat sie
eine neue Mama?«, flüsterte das Kind. »Vielleicht eine Katzenmama?«
    »Vielleicht«,
sagte Streiff hilflos.
    »Ich bin
schuld«, wisperte Lotte, »ich wollte so gern ein Kätzchen. Mama und Papa sagten,
ich könne kein Kätzchen haben, aber ein Schwesterchen. Und dann ist Luzia gekommen.«
Sie begann leise zu weinen.
    Streiff
verstand Lottes Gedankengänge nicht. »Du bist bestimmt nicht schuld«, versicherte
er ihr.
    Leon kam
ins Zimmer. »Haben Sie es ihr gesagt?«
    »Nein, aber
sie muss etwas aufgeschnappt haben, was sie nicht richtig versteht. Besser, Sie
reden mit ihr.«
    Streiff
ging ins Wohnzimmer. Die Tablette, die Nadine Attinger geschluckt hatte, wirkte
offenbar. Sie sah erschöpft aus, beantwortete aber ruhig Zita Elmers Fragen nach
dem Verlauf des Vormittags. Weiter musste man heute nicht gehen. Da es ja nicht
darum ging, ein verschwundenes Kind wiederzufinden, konnte man auf die Angehörigen
ein bisschen Rücksicht nehmen. Streiff schaute aus dem Fenster. Der Kriminaltechnische
Dienst war am Werk. Er ging hinaus. Otto Saxer, der Leiter, gab sich nicht sehr
optimistisch. »Es gibt hier jede Menge Fußabdrücke von Erwachsenen, Kindern, Hunden,
jede Menge Fasern, Zigarettenstummel und so weiter. Kein Wunder, hier führt ein
öffentlicher Spazierweg durch, Leute gehen da vorbei, joggen, sie setzen sich aufs
Wiesenbord, picknicken, Kinder spielen Fangen, verlieren Haargummis; alles, was
du willst. Es wird schwierig bis unmöglich sein, hier etwas zu

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