Katzendaemmerung
müde zum Kämpfen; meine Müdigkeit besiegte sogar die Angst. Als ich Sachmet dort mit ihrem verletzt herabhängenden Arm stehen sah, konnte ich mich eines Lächelns nicht erwehren. Auf eine seltsam makabre Art wirkten wir wie Zwillinge. Beide hatten wir denselben Defekt.
»Du lachst?«, wunderte sich mein Gegenüber. »Glaubst du etwa noch immer, etwas gegen mich ausrichten zu können? Oder ist dein Lächeln ein letzter Anflug von Wahnsinn?«
»Wenn du auf Letzteres tippst, muss ich dich leider enttäuschen«, antwortete ich. Immer noch lächelnd umfasste ich meinen gebrochenen Arm und streckte ihn ihr entgegen. »Siehst du das glänzende Ding dort an meinem Finger? Es ist ein Schen. Deine so geliebte Bastet ließ ihn mir durch Ach überreichen. Offenbar als eine Art Lebensversicherung. Vielleicht ahnte sie ja, dass ich ihn eines Tages gegen dich einsetzen müsste.«
Plötzlich erlosch Sachmets überlegenes Grinsen. Mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf ließ sie sich vor mir auf die Knie fallen. Völlig überrascht wich ich einen Schritt zurück. Ich hatte mir einen kleinen Vorteil durch den Ring ausgerechnet, eine derartige Reaktion übertraf aber selbst meine kühnsten Träume.
»Vergib mir, o Erhabener«, flehte sie mich an und rutschte wieder etwas näher. »Vergib einer unwissenden Sünderin, o Günstling des Horus. Füge mir bitte kein Leid zu.«
Noch ehe ich reagieren konnte, hatte sie meine geschwollene Hand erfasst und bedeckte sie mit Küssen. »O Hüter des mächtigen Schen, lasse dein gnädiges Licht über deiner unwürdigen Sklavin erstrahlen. Ich krieche vor dir im Staub; bis ans Ende meiner Tage werde ich deinem Willen gehorchen.«
Ein seltsames Knacken mischte sich unter das weinerliche Flehen. Verwirrt blickte ich nach unten und … erstarrte.
Ein dicker Blutstrahl schoss aus der Stelle, an der soeben noch der Schen gesessen hatte. Sachmet grinste mich mit rot verschmierten Lippen an. Zwischen ihren Zähnen ragte der abgebissene Stumpf meines Fingers hervor.
Fast ohnmächtig vor Schrecken taumelte ich zurück gegen die Wand des Busses. Es ist alles nur ein Traum , versuchte ich mir einzureden. Das alles ist nur ein böser Traum.
Sachmet sprang auf und spuckte mir ihre Beute direkt vor die Füße. Ihr gellendes Lachen klang wie das Schreien einer Harpyie.
»Siehst du, was ich mit deinem ach so mächtigen Schen mache? Siehst du es? Kein noch so mächtiges Amulett kann etwas gegen ›ElWerethekau‹ ausrichten.«
Erst als ich das wurmähnliche Fleischstück am Boden liegen sah, erwachten meine bislang schlummernden Nerven zu neuem Leben. Der Schmerz durchraste mich wie ein Blitz … und löschte mich aus.
Wie es schien, war aber nur ein Teil meiner Sinne gestorben, denn selbst noch im Reich der Toten begleitete mich Sachmets schauerliches Gelächter … Als ich wenig später die Augen öffnete, weilte ich noch immer unter den Lebenden. Es war allerdings nur noch eine Frage der Zeit.
Ich lag flach auf dem Rücken und starrte in eine graublaue Wolkendecke. Dann trat Sachmet in mein Blickfeld. In ihrer Hand hielt sie ein langes rostiges Rohr, das am unteren Ende spitz abgebrochen war.
»Ich habe hier etwas für dich.« Das Lächeln verzerrte ihr Gesicht zu einer dämonischen Fratze. »Das hier ist mein Amulett, und es wird ganz sicher seine Wirkung nicht verfehlen.« Sie ließ die schartige Spitze über meinem Gesicht pendeln und holte dann aus. »Möge dich Anubis mit offenen Armen empfangen«, rief sie. »Und bestelle Rosalie schöne Grüße von mir.«
Ich wollte gerade meine Augen vor dem unausweichlichen Ende verschließen, als plötzlich ein dunkler Schatten auf Sachmet zugeflogen kam. Etwas Schwarzes, Fauchendes krallte sich an ihr fest und ließ sie zurücktaumeln. Das Rohr fiel scheppernd zu Boden.
»Neiiin!«, kreischte Sachmet. »Lass mich los, verfluchter Teufel! Nein!« Erstmals sprach wirkliches Entsetzen aus ihrer Stimme.
Wie in Trance drehte ich mich zur Seite und beobachtete die unwirkliche Szene. Eine schwarze Katze hatte sich wie ein lebendiger Schal um Sachmets Kopf gewunden und attackierte ihr Gesicht wild zuckend mit Zähnen und Krallen.
Ich wurde Zeuge eines grausigen Tanzes zwischen Mensch und Katze. So sehr sich die Angegriffene auch bemühte, das Tier von sich wegzureißen, es wollte ihr einfach nicht gelingen. Immer wieder rissen die scharfen Krallen neue Fetzen aus ihrer Haut.
Ein winziger Sonnenstrahl lenkte mich kurzzeitig ab. Etwas glitzerte nur
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