Katzendaemmerung
Weg.«
Obwohl ich ihre Befürchtungen nicht teilte – nur ganz selten hatte ich bislang Menschen auf dem Gelände beobachten können – und den gesamten Aufwand als ohnehin vollkommen überzogen empfand, packte ich wieder fester zu und zog den Sack in gebückter Haltung rückwärtsgehend mit mir mit. Auch ich wollte diese alptraumhafte Sache endlich hinter mich bringen.
In meinem Eifer hatte ich die Grube beinahe schon zu großzügig ausgehoben; als ich sie wieder zuschüttete, reichte die Erde gerade aus, um den ursprünglichen Zustand der Höhle wieder herzustellen. Ich stampfte den Boden fest zusammen und tarnte die Stelle anschließend mit trockenem Staub und Steinen aus dem vorderen, höher gelegenen Bereich.
Völlig erschöpft und von Kopf bis Fuß mit Erde bedeckt, kroch ich schließlich wieder in den Bus. Selbst als Mia die Platte längst wieder verriegelt hatte, blieb ich einfach ausgestreckt am Boden liegen. Mein Körper und mein Geist sehnten sich endlich nach Ruhe; alles, was ich wollte, war schlafen.
Eine Hand legte sich auf meine Schulter. »Komm, steh’ auf«, hörte ich Mias Stimme. »Du kannst nicht hier bleiben. Los! Das kurze Stück zum Haus schaffst du auch noch. Oben in der Wohnung kannst du dann meinetwegen einen zweimonatigen Schönheitsschlaf halten.«
Die Hände drehten mich herum und zogen meinen Oberkörper in eine aufrechte Stellung. Obwohl ich mich vollkommen passiv verhielt, bereitete Mia diese Aktion offenbar kaum Probleme. Meine blonde Halbgöttin hatte sich nicht nur innerhalb kürzester Zeit von einem heulenden Nervenwrack in eine kühl kalkulierende, beherrschte Persönlichkeit verwandelt, auch ihre physischen Kräfte schienen deutlich über dem zu liegen, was ich einer Frau ihrer Größe zugetraut hätte. Wenn ich nun aber hoffte, von ihr ins Bett getragen zu werden, so hatte ich mich – wie schon so oft – gründlich getäuscht.
Ein seltsam klatschendes Geräusch hallte im Skelett des Busses wider.
Einmal. Zweimal.
Flackernd öffnete ich die Augen. Da! Schon wieder. Erst jetzt wurde mir bewusst, wodurch das Geräusch erzeugt wurde. Noch bevor ich zurückweichen konnte, verabreichte mir Mia die vierte Ohrfeige. Sofort sprang ich taumelnd auf.
»Was soll das?«, schrie ich. »Bist du verrückt geworden? Ist das etwa deine Art, dich bei mir für meine Hilfe zu bedanken?«
Mia grinste mich schadenfroh an. »Na, wer sagt’s denn. Der Herr hat sein Nickerchen endlich beendet. Ich befürchtete schon, ich hätte stärkere Mittel einsetzen müssen.«
Ihre Miene zeigte mir, wie gerne sie mich auch ausgefeilteren Foltermethoden unterzogen hätte. Ich gab meinen Widerstand auf. Da ich nun ohnehin wieder eine winzige Spur von Adrenalin in meinen Gliedern verspürte, trottete ich mit ihr folgsam zurück zum Haus. Während sie dabei den Spaten wie eine römische Standarte vor sich hertrug, bildete ich die Gesamtheit ihres kläglichen Heeres. Vornübergebeugt, mit halb geschlossenen Augen, stolperte ich wie ein seelenloser Zombie durch die morgendliche Kulisse der Trümmer.
Wir hatten den Hinterhof noch nicht erreicht, als sich die ersten Sonnenstrahlen zwischen der Skyline von Lucerne hindurchzwängten.
»Keinen Augenblick zu früh«, hörte ich Mia murmeln. Es klang wie der Stoßseufzer eines lichtscheuen Vampirs. Bei diesem Gedanken musste ich trotz allem lächeln. Tom, der Zombie und Mia, die Fürstin der Vampire. Eigentlich waren wir doch das ideale Paar.
Ich weiß heute nicht mehr, wie ich schließlich meinen Weg bis zur Couch meines Arbeitszimmers fand, die Tatsache allerdings, dass ich später vergeblich nach Lehmkrusten auf meinem Körper suchte, legt die Vermutung nahe, dass ich zuvor erneut eine gründliche Reinigung durchlaufen hatte. Irgendwo mitten im Treppenhaus schalteten meine überreizten Nerven einfach auf Autopilot. Tiefes, traumloses Schwarz erwartete mich. Wahre Ruhe und Entspannung waren allerdings Dinge, die ich nach Bastets Sarxwerdung nie mehr kennenlernen sollte.
Als mich Mia recht unsanft wieder weckte, glaubte ich, kaum weniger als eine Stunde geschlafen zu haben. Nur widerwillig öffnete ich die Augen. Grelles Licht stach unbarmherzig auf mich ein.
»Oh, nein!«, stöhnte ich. Reflexartig drehte ich mich auf den Bauch und zog mir das Kissen über den Kopf. »Verdammt, zieh’ bloß wieder die Vorhänge zu! Oder willst du, dass ich erblinde?«
Mia blieb unbewegt vor der Couch stehen. »Keine Zeit«, entgegnete sie knapp. »Ich habe einen Anruf
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