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Katzendaemmerung

Katzendaemmerung

Titel: Katzendaemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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verlieren.
    Ich sprang in ihren (Lindsay Quinlans!) kleinen Geo und würgte gleich beim ersten Anfahrversuch den Motor ab. Die Kupplung reagierte so direkt, dass er wie ein junges Kalb bockte.
    »Ruhig … Bleib RUHIG!«, schrie ich mir hysterisch zu.
    Erst nach dem dritten Versuch nahm ich mit quietschenden Reifen die Verfolgung auf. Warum zum Teufel hatte ich auch nicht meinen geliebten Chevy nehmen können?
    Vielleicht, damit es den Anschein erwecken sollte, ich hätte die Wohnung nicht verlassen , beantwortete ich meine eigene Frage. Eine unnötige Vorsichtsmaßnahme, wie so vieles andere auch , dachte ich. Wer achtete schon auf meine zerbeulte Kiste?! Ein schnittiger Mercury passte dagegen in dieses Viertel wie eine Armani-Krawatte auf ein beschmiertes ›Bud‹-T-Shirt.
    Als ich zum View-Drive kam, bog ich instinktiv links ab. Augenblicklich wurde mein Geo von einer dichten Blechlawine verschluckt. An der Hauswand eines Elektrogeschäfts entdeckte ich zufällig eine große LED-Uhr. 17 Uhr 02 sagten die Ziffern. Mia hätte sich wirklich keine ungünstigere Zeit für ihren Picknickausflug aussuchen können. Überall verstopften Wochenendtouristen und ähnlich trödelnde Zeitgenossen die Straßen. Nur durch waghalsige Slalom-Manöver gelang es mir, ein halbwegs akzeptables Tempo zu halten. Von Mia war weit und breit nichts zu sehen.
    Erst als ich schon auf der ›62‹ weiter nach Süden raste, blitzte kurz vor einer Anhöhe das blaue Heck eines Topaz vor mir auf. Mein Instinkt und der überraschend wendige Geo hatten die richtige Fährte gewittert.
    An der Kreuzung zur ›Interstate‹ zeigte sich, dass ich meine coole Freundin nicht eine Minute zu früh entdeckt hatte; entgegen meiner Erwartung fuhr sie nämlich nicht in Richtung L.A., sondern bog nach Südwesten ab. Stirnrunzelnd folgte ich ihr.
    Zwischen den Ausläufern der San Bernadino Mountains im Norden und den San Jacinto Mountains im Süden wand sich die Straße durch eine unbewohnte, mit Fichten und Kiefern durchsetzte Ebene. Obwohl ich nun schon viele Jahre hier lebte, überraschten mich die aberwitzigen Kontraste doch immer wieder. Nur wenige Meilen südlich lag das verrückte Palm Springs mit seinen golfbesessenen Pensionären, glitzernden, palmenumsäumten Swimmingpools und den versteckten Prominenten-Villen. Städte sind widernatürliche Gebilde in dieser Wüsten- und Gebirgsregion. Gegen jede Vernunft hat der Mensch hier Häuser errichtet. Und nur aus einem einzigen Motiv heraus: Es ist möglich! Wenn er die Natur oder die Götter herausfordern kann, unterlässt es der Mensch nie, prahlerisch seine Macht zu demonstrieren.
    Nach knapp einer Stunde Fahrt blickte ich erstmals auf die Benzinanzeige. Falls Mia beabsichtigte, Joys Wagen zurück zu ihren Eltern nach Pensacola zu bringen, würde ich um den einen oder anderen Tankstellen-Stopp nicht herumkommen.
    Die ›I10‹ führte nun schon seit geraumer Zeit am Rand des Joshua Tree-Nationalparks vorbei. In diesem Teil sah man allerdings keine bizarr ausgefransten Granitmonolithe oder die so typischen Joshua-Bäume, jene hochgewachsenen, stachligen Liliengewächse, deren Hold-up-Arme die Mormonen einst an ›betende Pflanzen‹ erinnert hatten. Stattdessen erhoben sich aus den trockenen, mit dichtem Gras und Gestrüpp bewachsenen Flächen immer öfter kleinere Kolonien von Cholla-Kakteen. Wie seltsame Korallen streckten sie ihre wurstdicken, stachelbewehrten Fühler nach allen Seiten aus.
    Ich bestaunte noch immer die wechselhafte Flora, als der Wagen vor mir plötzlich ohne Vorwarnung auf eine unbefestigte Schotterstraße abbog. Ich musste hart bremsen, um die schmale Einfahrt gerade noch zu erwischen. Nur durch heftiges Gegenlenken vermied ich eine unsanfte Berührung mit einem seitlich herausragenden Felsblock. Der kleine Geo überlegte sich zweimal, ob er umkippen sollte; glücklicherweise konnte ich ihn beide Male dazu überreden, den klassischen Stil beizubehalten. Mit teilweise durchdrehenden Rädern schlingerte ich schließlich in eine meterhohe Staubwolke hinein und kam mitten im Nirgendwo zum Stehen.
    Mein Herz schlug wie eine riesige Trommel. Ich hätte es eigentlich wissen müssen: In Mias Gegenwart konnte eine Sekunde der Unachtsamkeit die Letzte bedeuten.
    Keuchend wartete ich darauf, bis sich der feinkörnige Nebel verzogen hatte. Was kommt jetzt noch? , dachte ich mit einem Anflug von Sarkasmus. Welche Prüfung muss ich wohl noch bestehen? Meine Einsätze als Hoher Priester,

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