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Katzendaemmerung

Katzendaemmerung

Titel: Katzendaemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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Herzens Feuer und Schwert, denn Anubis und Nephtys haben keine Macht über dich. Du durchschreitest Amenti, nur um von Osiris sogleich wieder ans Licht geführt zu werden. – Du bist Nesert, die sich selbst verzehrende Flamme, die ewig brennt …
     
    Der letzte Teil der Hieroglyphen bezieht sich offenbar auf bildhafte Darstellungen, die auf dem von uns geborgenen Mauerstück nicht vertreten sind:
     
    Es spielen dir die Götter das Sistrum, um deinen Grimm zu vertreiben. Sie krönen und salben dich, auf dass du deine tierische Natur ablegest, um als gute Schwester deiner göttlichen Partnerin in einer menschenhaft ›hohen Frau‹ zu wandeln.
     
    Vor allem diese Textstelle ist es, die mich höchst nachdenklich stimmt. ›Repit‹ – ›hohe Frau‹, ist also eindeutig der Beiname der Sachmet und nicht, wie Onkel Norm glaubt, ein besonderer Titel der koptischen Glaubensgemeinschaft. Ich bin mir sicher, dass Amr Karim die genaue Bedeutung des Wortes kennt. Doch warum wird Attiya dann so genannt? Sind die Bubasiten vielleicht weitaus mehr mit den Riten der alten Ägypter vertraut, als wir es bislang ahnten? Ich wage es kaum zu glauben, aber steht Attiya am Ende etwa einer heidnischen Sekte vor, die wie vor dreitausend Jahren Tiergottheiten anbetet? Aber ich sollte mich bremsen; vielleicht sehe ich auch schon Gespenster. Schließlich ist da nur dieses eine Wort auf einer uralten Kalksteintafel. Möglicherweise habe ich auch nur einige Schriftzeichen falsch übersetzt. In jedem Fall bin ich gespannt darauf, was Onkel Norm dazu sagen wird.
    Er hat nur gelächelt. Nein, ausgeschüttet hat er sich vor Lachen. Als ich meinem Onkel heute Vormittag meine Notizen vorlegte, zeigte er sich zwar sehr an den Trinitäts-Darstellungen interessiert, auch an den identisch scheinenden Figuren von Dienerin und Königin. Meine vorsichtige Vermutung bezüglich der Bubasiten erntete jedoch nur schallendes Gelächter.
    »Das ist wirklich zu drollig«, prustete Onkel Norm, wobei er sich die Tränen von den Wangen wischte. »Da lasse ich dich nun jahrelang Ägyptologie und alte Geschichte studieren und was geschieht? Deine Fantasie läuft Amok. Attiya, eine schnurrende ›Wer-Katze‹ … Ha! Das ist wirklich nicht schlecht. Bin gespannt, wann sie mir die erste Maus aufs Bett legt.« Ein erneuter Lachanfall ließ seinen Körper erbeben. »Aber es hätte auch seine Vorteile«, gluckste er. »Für die Rückpassage könnte ich einen deutlich günstigeren Preis aushandeln. Hunde und Katzen fallen nämlich nur unter die Kategorie ›zusätzliches Gepäck‹.«
    Angesichts dieser Reaktion stiegen natürlich Ärger und Enttäuschung in mir hoch. (Und ich empfinde auch jetzt kaum anders.) Da hatte ich nun eine ganze Nacht lang ernsthaft und konzentriert gearbeitet, und was erhielt ich als Belohnung dafür? Spöttisches Gelächter! Ich musste mich schon sehr beherrschen, um Onkel Norm nicht ein paar unschöne Worte an den Kopf zu werfen. Möglichst ruhig versuchte ich ihm zu erklären, dass ich keinesfalls glaubte, Attiya sei eine Katze in Menschengestalt. Ich hielt es aber durchaus für möglich, dass Amr Karim und die übrigen Bubasiten derart verquaste Vorstellungen hegten. Eine – wie ich finde – völlig andere, aber nichtsdestotrotz schlüssige, Betrachtung der Sachlage. Immerhin wurden die Pharaonen seinerzeit auch als Götter verehrt und mit anderen Gottheiten in Verbindung gebracht. König Takelot II. wurde z.B. als ›Geliebter der Bastet‹ bezeichnet; Nektanebos als ›geliebt von Sachmet der Großen‹, und die legendäre Hatchepsut galt gar als ›Tochter des Amon‹.
    Mein Onkel ließ aber selbst diese Interpretation nicht gelten.
    »Wir befinden uns am Ende des 19. Jahrhunderts«, argumentierte er. »Kultur und Religion der alten Ägypter sind schon vor Tausenden von Jahren vom Sand der Geschichte begraben worden. Und vom tatsächlichen Sand. Aus diesem Grunde sind wir doch schließlich hier; um die Welt dieser Menschen wieder sichtbar zu machen. Wäre sie heute noch gelebte Wirklichkeit, welche Mühen könnten wir uns sparen. Die Archäologen brauchten nicht mehr auf heißen Ruinenfeldern mit Schaufel und Spitzhacke herumlaufen. Sie würden einfach mit Fragebögen von Haus zu Haus ziehen und die Ergebnisse bequem im Büro auswerten. Etwa in der Art: ›Welchen der folgenden Gottheiten verehren sie als Hauptgott: Horus, Re oder Amun?‹
    Von solchen paradiesischen Zuständen kann man aber nur träumen. Unsere Antworten, mein lieber

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