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Katzenhöhle

Katzenhöhle

Titel: Katzenhöhle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegunde Artmeier
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los gekommen – ich nicht von ihr und sie nicht von mir. Denn auch sie hat gelitten.« Er wurde still. »Doch so einen Tod hätte ich ihr nicht gewünscht.«
    Das war ziemlich stark. Lilian trank einen großen Schluck. Die Lichter drehten sich noch mehr, wie in einem funkelnden Kaleidoskop, dessen Formen und Farben sie zu verschlingen drohten.
    »Sie sind sehr ehrlich.«
    »Warum soll ich lügen? Ich habe nichts zu verbergen. Unsere gemeinsame Leidenschaft war das Tanzen: Es verband uns, schuf einen Zauber zwischen uns – und gleichzeitig trennte es uns. Unsere Zusammenarbeit war sehr produktiv. Nur mit ihr konnte ich meine Inszenierungen verwirklichen, nur sie wusste, was ich ausdrücken wollte. Aber mit niemandem musste ich so kämpfen wie mit ihr.« Tiefe Falten zeigten sich auf seiner Stirn. »Was soll ich jetzt bloß anfangen? Wo finde ich eine zweite Mira?«
    Der junge Ober kam an den Tisch und fragte diskret, ob Herr Ormond oder sein Besuch noch etwas vom Frühstücksbüffet benötige oder ob man abräumen könne. Inzwischen waren sie die einzigen Gäste. Cedric Ormond antwortete genauso diskret, man möge sich doch bitte noch eine Viertelstunde gedulden. Lilian kam sich fast wie in einem schlechten Film vor. Als ihr schottischer Gastgeber allerdings einen Teller mit knusprig gebratenem Schinken, herzhaft duftenden Röstis und zwei offenbar original Schwarzer Kipferln aus der besten Regensburger Kipferlbäckerei vor ihr abstellte – ohne sich selbst nachzulegen, wohlgemerkt – fand sie zurück in die Wirklichkeit. Das war genau das, was sie jetzt brauchte, Obduktion hin oder her. Sie hörte erst auf zu essen, als sie alles weggeputzt hatte.
    Cedric Ormond hatte ihr schweigend zugeschaut. »Sie hatten Hunger«, sagte er unnötigerweise. »Haben Sie nichts gefrühstückt?«
    »Ich frühstücke nie.«
    »Warum nicht?«
    »Keine Zeit, keine Lust, was weiß ich.« Sie grinste. »Jetzt geht’s mir besser. Auch der Schwips ist weg. War wirklich lecker.«
    Am gegenüberliegenden Donauufer trabte ein Jogger in gleichmäßigem Rhythmus vorbei. Lilian schaute ihm nach. Heute Morgen war sie nicht zum Laufen gekommen. Zurzeit tat sie sich mit dem Aufstehen schwer. Lieber blieb sie die halbe Stunde im Bett, als sich durch die Dunkelheit und den Schneeregen zu kämpfen. Doch ihre Füße nahmen ihr das übel, ihre Zehen waren noch eisiger als sonst.
    »Ich hab nur wenig gegessen. Ich wollte mir meinen Appetit fürs Mittagessen aufheben«, sagte Cedric Ormond. »Wo kann man hier so richtig deftig bayerisch essen?«
    »Gleich ums Eck beim früheren Kneitinger oder in Stadtamhof im Spitalgarten.« Lilian war überrascht. Dieser vermeintliche Edelmann hatte so gar nichts typisch Adeliges an sich. »Schmeckt Ihnen die bayerische Küche?«
    »Ich liebe sie abgöttisch. Mira hat alle paar Monate Schweinebraten mit Knödel gekocht. War zwar etwas gewöhnungsbedürftig – Knödel aus Toastbrot.« Er schmunzelte. »Aber trotzdem war es jedes Mal ein Fest. Auch wenn wir beide immer nur sehr wenig gegessen haben. Wie das eben so ist bei Tänzern.«
    Lilians Überraschung wuchs. Eine Primaballerina in der Küchenschürze. Aber warum nicht? Bei einem Lord, der keiner war, war alles möglich.
    »Hatten Sie eine gemeinsame Wohnung?«
    »Mira ist vor acht Monaten zu mir gezogen. Sie war damals seit einem halben Jahr in London, lebte nur in Hotels. Sie brauchte eine feste Bleibe. Wir betrachteten es beide als Provisorium, denn sie war ständig auf der Suche nach einer Wohnung. Erst vor zwei Wochen hat sie sich ein eigenes Appartement gekauft, ist aber noch nicht eingezogen, weil es erst renoviert werden muss.«
    »Was passiert jetzt mit dieser Wohnung?«
    »Keine Ahnung.«
    »Lebte Mira gerne in London?«
    »Nicht besonders. Es gefiel ihr, auf der Bühne zu sein, im Rampenlicht zu stehen, alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Wo, war ihr relativ egal.« Er winkte dem Ober. »Sie trinken doch noch einen Espresso mit mir?«
     
    Nach dem Kaffee gingen sie nach draußen und machten einen Spaziergang an der Donau. Es war noch genauso düster wie vorher. Graue Tröpfchen schienen über dem murmelnden Wasser zu schweben. Ein großer Platz erstreckte sich vor ihnen. Trübes, matschiges Weiß bedeckte noch stellenweise die Rasenfläche. Das Gras hatte eine ungesunde Farbe, als wäre es zu lange im Nassen gelegen. Kahle Bäume streckten ihre armseligen Äste in den bleichen Himmel, wie verkrümmte, verzweifelt bittende Finger.
    »Waren Sie

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