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Katzenhöhle

Katzenhöhle

Titel: Katzenhöhle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegunde Artmeier
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Rinde, verströmte einen intensiven Geruch und würde sich gut mit dem in Butter gedünsteten Blumenkohl ergänzen. In Lilians Bauch fing es zu grummeln an.
    Auf dem Fenstersims, zwischen Primeln und Amaryllis, stand eine goldene Blechdose. Blaue Sterne zierten den Deckel und ließen alle Fragen unbeantwortet, was sich wohl darin befinden könnte. Die alte Dame stand auf, öffnete die Dose und holte selbstgebackene Honigkuchen und Vanillekipferl heraus. Liebevoll ordnete sie das Gebäck in einer Schale an, stellte diese auf den Tisch und holte drei Teller mit Besteck aus dem Küchenbüfett. Die Dessertteller legte sie neben die Kuchenschale, den Essteller und das Besteck aber an Lilians Platz.
    »Lassen Sie es sich schmecken. Bei der Nachspeise leiste ich Ihnen Gesellschaft, aber der Tee muss sowie erst ziehen.«
    Der Wasserkessel fing zu dampfen an. Während die Frau den Tee aufgoss, häufte sich Lilian eine Köstlichkeit nach der anderen auf den Teller. Die Blumenkohlröschen waren so zart, wie sie aussahen, der geräucherte Schinken zerging fast auf der Zunge, das Brot schmeckte … ja, wie schmeckte es bloß? Lilian fiel kein angemessener Vergleich ein. Doch es erinnerte sie an das Bauernbrot, das ihre Mutter an besonderen Festtagen wie Kirchweih, Weihnachten und Ostern eigenhändig gebacken hatte. Der Papa hatte es in kleine Stücke gebrochen und in eine Milchtasse gegeben. Die voll gesogenen Brocken hatten sie beide dann herausgefischt und andächtig verspeist.
    »Ich konnte das nicht verstehen – und ich kann es heute noch nicht.« Die alte Frau legte Zuckerstückchen auf einen Teller. Sie hatten die Form von Kleeblättern, Rauten und Herzen.
    »Was meinen Sie?«
    »Diese ganze Geschichte. Die ging mir wirklich nahe, obwohl ich Gisela Dormann kaum kannte.«
    Sie prüfte den Tee. Er hatte eine satte, goldbraune Farbe. Zufrieden goss sie ihn in zwei Tassen, die so filigran waren, dass Lilian sich fragte, ob sie beim Hochheben zerbrechen würden. Doch sie landeten wohlbehalten auf dem Tisch.
    »Wollen Sie Zitrone oder Milch?«
    »Nur Zucker, danke.«
    Entgegen ihren sonstigen Gewohnheiten entschied sich Lilian für ein Zuckerstück in Herzchenform. Sie fühlte sich wohl. Ihr Bauch war angenehm voll, es war gemütlich und warm hier drin. Am liebsten hätte sie sich auf dem Sofa ausgestreckt, doch sie lehnte sich nur zurück. In letzter Zeit kümmerten sich ausgesprochen viele Leute um ihr körperliches Wohlbefinden. Nicht nur Viktor, auch Cedric Ormond und jetzt noch diese fürsorgliche, alte Dame.
    »Wer hat Frau Dormann gefunden?«
    »Eine Nachbarin war von dem Motorenlärm wach geworden und raus gegangen, um nachzuschauen, was da los war. Sie war schon in der Nacht deshalb aufgewacht, hatte aber geglaubt, es sei nur ein Traum, und einfach weiter geschlafen. Später rief sie mich an, ganz durcheinander war sie. Das war so gegen sechs. Als ich ankam, konnte ich nur noch Gisela Dormanns Tod feststellen.«
    »Haben Sie die vorgeschriebene Leichenbeschau durchgeführt?«
    Die Ärztin nickte.
    »Ist Ihnen etwas aufgefallen?«
    »Nein, gar nichts.«
    »Haben Sie den Namen Lena Zolnay schon einmal gehört?«
    »Nein. Wer ist das?«
    Lilian erwiderte nichts und probierte den Tee. Er schmeckte vorzüglich. »Sie sagten, Sie kannten Frau Dormann?«
    »Ich hatte sie ein paar Tage vor ihrem Tod zufällig kennen gelernt. Da musste ich zu einem Krankenbesuch und sie wohnte im gleichen Haus. Sie war so nett, so aufgeschlossen, ich hab das einfach nicht verstanden.«
    Die alte Dame hatte noch kein einziges Stück von dem köstlichen Gebäck gegessen und noch keinen Schluck von dem dampfenden Tee getrunken. Sie bemerkte nicht einmal, dass ihre Brille wieder vor bis zur äußersten Nasenspitze gerutscht war. Sie saß nur da und sah so aus, als wartete sie auf eine Frage. Lilian enttäuschte sie nicht.
    »Was haben Sie nicht verstanden?«
    »Schauen Sie, ich weiß, wie das ist – wenn einem der Liebhaber wegläuft, meine ich. Man kann nicht mehr denken, arbeiten, lustig sein. Manchmal glaubt man sogar, man könne nicht mehr weiterleben. Auch wenn man weiß, dass das vorbei geht, so ist man doch schrecklich einsam und verzweifelt. Es tut so … weh.« Sie starrte vor sich hin und fing an, den Kuchen auf ihrem Teller zu zerbröseln.
    »Und Gisela Dormann hat nicht diesen Eindruck auf Sie gemacht?« fragte Lilian erst nach einer Weile. Sie wollte nicht, dass alte Wunden von neuem zu bluten begännen.
    »Überhaupt nicht. Ich weiß

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