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Katzenhöhle

Katzenhöhle

Titel: Katzenhöhle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegunde Artmeier
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Nürnberg gefahren sind.«
    Ein resignierter Blick, dann lange nichts. »Mira hatte wieder getrunken und hat sich total hinein gesteigert. Und ich mich auch«, sagte sie erschöpft. Sie sah so aus, als sei sie auf ihrer Suche nach einem Zufluchtsort zwar weit herumgeirrt, aber nicht erfolgreich gewesen. »Wir haben uns angeschrieen, es war furchtbar. Irgendwann hab ich sie angefaucht, sie soll sofort ihr Zeug packen und verschwinden. Wie ich mein Leben führe ist meine Sache. Doch sie hörte nicht auf, faselte dauernd was von verpassten Gelegenheiten, von Chancen, die ich nie genutzt hab. Was das für welche gewesen sein sollen, möchte ich mal wissen.« Sie zitterte noch mehr. Hilflos umklammerte sie ihren schmalen Körper. »Mir ist kalt.«
    Lilian holte Lenas dicken Mantel aus dem Spind und legte ihn ihr um die Schultern. Obwohl sie nicht wusste, ob diese ganze Vorstellung gespielt oder echt war, fühlte sie sich auf einmal für die junge Frau verantwortlich. Zumindest Wärme durfte sie ihr nicht verweigern.
    »Danke.« Lena hüllte sich in das flauschige Tuch. »Als ich dann sagte, sie soll sich nichts vormachen, sie ist Alkoholikerin, nur über den Whisky kommt sie runter, da flippte sie total aus. Sie rannte durchs Zimmer, packte auf einmal diese Marmorstatue und warf sie nach mir. Ich stand hinter dem Sofa, dort prallte sie ab und landete auf dem Boden. Ich schätze, nur deshalb ist sie nicht zu Bruch gegangen, weil der Aufprall abgefangen wurde. Erst da kam Mira zu Besinnung – und ich auch. Wir starrten uns an, keine sagte was. Dann bin ich raus, hab meine Sachen zusammengesucht und bin einfach abgehauen.«
    »Und Mira?«
    »Sie ist ins Badezimmer und hat die Wanne einlaufen lassen.«
    »War das Wasser noch an, als Sie die Wohnung verließen?«
    »Ich weiß es nicht, hab nicht darauf geachtet.« Sie verbarg sich noch tiefer in ihrem Mantel, als hätte sie den so dringend nötigen Schutz endlich gefunden. »Wieso, ist das wichtig?«
    Lilian war im Laufe des Tages in Lenas Wohnung gewesen. Anhand des markierten Wasserstandes in der Badewanne hatte sie überprüft, wie lange das Wasser brauchte, um diese Höhe zu erreichen. Ihre Stoppuhr hatte neun Minuten und zwölf Sekunden angezeigt. Es war schwer nachvollziehbar, ob sich Lena noch in der Wohnung aufgehalten hatte, als das Wasser abgedreht worden war. Und herauszufinden, wer das getan hatte, war fast ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn es aber Lena gewesen war, hätte ihre Schwester zu diesem Zeitpunkt schon tot im Wohnzimmer liegen müssen. Dann hätte Lena selbst die Statue geworfen oder mit ihr zugeschlagen. Denn wer würde glauben, dass die Marmorplastik einen zweiten Aufschlag, diesmal direkt auf Miras Kopf, unbeschadet überstanden hätte?

17
    Helmuts Telefonnotiz war eindeutig. Lilian war überrascht, dass er überhaupt eine gemacht hatte. Normalerweise war er mit schriftlichen Ausführungen sehr sparsam.
    11.05 Uhr, J. Herzog nicht zu erreichen
    11.14 Uhr, dito
    11.32 Uhr, Herzog zurück vom Spaziergang; Selbstmord von Gisela Dormann am 16.10.1998, sie wohnte in Maxhütte-Haidhof, Tulpenweg 18
    G. Dormann redete kurz vor ihrem Tod über gescheiterte Beziehung zu ihrem Freund, Grund für Selbstmord?
     
    Angesichts des vermeintlichen Angriffs auf Lena hatte Lilian keine Gelegenheit gehabt, mit Helmut persönlich über sein Telefongespräch mit Julian Herzog zu sprechen. Nach einigen mühseligen Anrufen erfuhr sie schließlich den Namen der Ärztin, die das Sterbeblatt anlässlich Gisela Dormanns Tod ausgefüllt hatte. Die Frau wohnte gleich außerhalb von Maxhütte-Haidhof, einem Ort im Norden von Regensburg.
    Das Haus sah so aus, als stammte es aus einer Zeit, in der noch alles in Ordnung gewesen war. Auch wenn das eine Illusion war, so war das apricotfarben gestrichene Gebäude mit seinen Holzläden, den weiß eingefassten Fenstern und dem hohen Schornstein doch herrlich anzuschauen. Der große Garten erinnerte Lilian an den Bauerngarten ihrer Kindheit. In der warmen Jahreszeit würden sich Iris, Pfingstrosen, Mohnblumen, Löwenmaul, Storchschnabel und Fingerhut an Farbenvielfalt zu überbieten versuchen, die Zweige der Büsche würden sich unter der Last reifer Himbeeren, Stachelbeeren und Johannisbeeren biegen, Schnecken und Kartoffelkäfer fänden ein grünes Paradies im Gemüsegarten. Es gab einen Brunnen, sorgfältig angelegte Pfade, und hinter einem Walnussbaum versteckte sich ein Geräteschuppen. Gut geölt schwang die Gartenpforte aus Holz

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