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Katzenhöhle

Katzenhöhle

Titel: Katzenhöhle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegunde Artmeier
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Riesen?«
    Doch so still waren sie nicht, kein Einziger. Das merkte Lena bald. In der zerfurchten Rinde tummelten sich Ameisen, die Blätter rauschten im Wind, und zaghafte Vogelstimmen aus den Zweigen über ihr wechselten sich ab mit kühnem Trillern. Die Luft streichelte Lenas Haare, zerzauste sie, wehte sie ihr über die Augen. Durch die feinen Strähnen sah Lena silberne Gespinste am Stamm, gewoben von unsichtbaren Spinnen, unermüdlich in ihrer Beständigkeit. Wenn sie nur lange genug ausharren würde, über ihr das Blau des Himmels, die Füße fest in der warmen Erde verankert, dann würden sich die zarten Fäden auch bald über ihre Haut spinnen. Was für ein betörendes Gefühl: Endlich eins mit dem Leben, das sie umgab …
    Das dachte sie, während sie versuchte, das Spiel zu gewinnen – und sie gewann es jedes Mal. Mira konnte sich nicht ruhig halten, immer verlor sie. Aber trotzdem hatte nie eine einzige Spinne angefangen, das erste Garn über Lenas Gesicht zu weben. Ob sich bald eine erbarmen würde, wenigstens bei Mira mit ihrer langwierigen Arbeit anzufangen? Jetzt musste sie Ruhe geben. Endlich hatte sie die Stille gefunden, nach der sie ihr Leben lang gesucht hatte.

19
    Die Sekretärin war schrecklich aufgetakelt, Marke Wasserstoffblondine mit zu viel Lippenstift und Rouge. An Gisela Dormann erinnerte sie sich genau. Immerhin arbeitete die Dame schon seit achtzehn Jahren in der Firma – nein, seit achtzehneinhalb Jahren, um genau zu sein. Das betonte sie immer wieder mit gönnerhafter Stimme. Die Gisela hatte Erfahrung gehabt, die hatte schon in einer vergleichbaren Position im Export gearbeitet, ganz im Gegensatz zu ihrer Nachfolgerin. Die schwebte nur mit arroganter Miene durch die Gänge, ließ sich nie auf ein Pläuschchen ein, hatte dauernd den neuesten Fummel an – wie die sich das bloß leisten konnte, bei diesem Gehalt? Oder verdiente die nach fünf Jahren schon so viel wie andere nach achtzehn?
    Nach achtzehneinhalb, fügte Lilian gedanklich hinzu. Sie fragte sich, wie lange ihr Gegenüber für die tägliche Morgentoilette benötigte. Es musste dauern, bis die Dame ihre fast weiße Haarpracht zu diesem kunstvollen Arrangement toupiert, frisiert und drapiert hatte, von den übermalten Wangen und Lippen ganz zu schweigen.
    »Keiner hat verstanden, warum der Herzog dieses fade, junge Ding eingestellt hat. Die hat doch null Ahnung!«
    »Trotzdem ist sie jetzt seit fünf Jahren hier. Also muss sie inzwischen wissen, worum es geht.«
    »Aber ob die noch mal fünf Jahre da bleibt – das wage ich zu bezweifeln.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Der Herzog sitzt nicht allzu fest in seinem Stuhl. Wenn der gehen muss, dann tut sie das auch.« Ihr schadenfrohes Grinsen war eindeutig.
    Es klopfte, und Julian Herzog erschien. Die Sekretärin strahlte ihn an, als wäre sie seine älteste Vertraute. Er nickte ihr kühl zu und musterte Lilian überrascht.
    »Wollen Sie zu mir?«
    »Nein, ich wollte zu Lena Zolnay. Diese Dame hier hat mir aber gesagt, dass sie schon wieder weg ist.«
    »Ja, ich hab sie heim geschickt – obwohl sie absolut nicht wollte.« Er legte der Sekretärin einen Stapel Kopien mit einer Anweisung auf den Tisch, beachtete ihr pikiertes Gesicht nicht und verließ das Büro. Draußen wartete er.
    Lilian folgte ihm. »Ihr Wein war wirklich gut. Ich habe kein Kopfweh, obwohl ich eindeutig zu viel getrunken habe. Ich hoffe, Sie erzählen das nicht herum.«
    Er lächelte nur. Lilian gefiel dieses Lächeln ausgesprochen gut, es war so behutsam. Sie ertappte sich bei dem Wunsch, wie Lena auch einen Vorgesetzten zu haben, der sie so anschaute. Der ihre hatte nur Sinn für Fakten.
    »Ich wollte Lena ihren Wohnungsschlüssel bringen. Ist sie ins Hotel gefahren?«
    »Ja. Eigentlich wollte ich mit ihr noch in die Kneipe ums Eck gehen, um eine Flasche Sekt aufzumachen. Aber sie fand das pietätlos.« Er sah betreten aus. »Das wäre es auch gewesen.«
    »Was wollten Sie denn mit ihr feiern?«
    »Dass sie jetzt eine reiche Frau ist.«
    »Wie das?«
    »Sie hat die Lebensversicherung ihrer Schwester geerbt, nicht gerade wenig. Zuerst wollte sie darauf verzichten, aber das konnte ich ihr ausreden – wo sie damit doch den Kredit für ihre Eigentumswohnung zurückzahlen kann.«
    Nicht nur den, dachte Lilian. Jetzt konnte sich Lena so manchen Schnickschnack leisten, den ihr nicht jeder gönnen würde. Zumindest nicht diese dezente Sekretärin, die sich jetzt sicher über ihre Zusatzarbeit

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