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Katzenhöhle

Katzenhöhle

Titel: Katzenhöhle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegunde Artmeier
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auszufüllen: ihre neugefundene Arbeit, die kostspielige Sammlerleidenschaft, einen sinnlosen Kaufzwang und noch mehr Balletttanz als ohnehin schon. Männer spielten kaum eine Rolle in ihrem Alltag, die sorgten nur für Magendrücken und Enttäuschungen, fast so wie die betrügerische Schwester. Und Miras Glanz konnten sie ohnehin nicht ersetzen.
    Auch Cedric war nicht besser. Warum hatte Lena sich bloß auf ihn eingelassen? Wie erwartet, ließ er nichts mehr von sich hören – während sie ständig an ihn dachte. Sie brauchte ihn so sehr, bei ihm fühlte sie sich lebendig, endlich, als wäre sie nicht mehr aus Stein wie die rotgeäderten Liebenden aus Marmor. Vielleicht könnte er auch die Angst in ihr besänftigen. Denn sie hatte Angst, panische geradezu. Wieder sah sie Mira in ihrem Blut daliegen, hörte die Schritte in der Tiefgarage, fühlte, wie diese Hände nach ihrem Hals packten. Wusste Cedric überhaupt, was gestern passiert war? Sicher nicht, woher auch? Sie musste ihn anrufen, statt immer nur darauf zu warten, dass er das tat. Mit zitternden Fingern tippte sie die Nummer ein, die er ihr gegeben hatte. Eine freundliche Frauenstimme meldete sich. Lena erfuhr, dass Herr Ormond unterwegs sei. Zusammen mit Larissa Gregori habe er vor einer Stunde das Sorat Hotel verlassen. Nein, leider wisse niemand, wann er zurückkäme. Lena bedankte sich und legte auf.
    Minutenlang starrte sie auf das Telefon. Warum war sie so naiv? Wie hatte sie glauben können, Cedric würde auch nur einen einzigen Gedanken an sie verschwenden? Da gab es nichts, was sie verband – keine gemeinsame Vergangenheit, keinen Tanz in der Wirklichkeit, nur in einem Traum, nicht einmal Spaziergänge im Regen. Die paar vergänglichen Momente zählten nicht, weder seine Hand auf der ihren, als sie im Gasthaus zum Roten Hahn Langusten gegessen hatten, noch die Nacht im Hotel. So etwas holte sich der große Ballettintendant bei wem und wann immer er es brauchte. Auf einmal fühlte sich Lena benutzt, schlimmer noch – benutzt und weggeworfen, wie ein verschmutztes Taschentuch. Es tat so weh, fast so wie damals, als sie das Sofa gekauft hatte. Alle Polster hatte sie nass gemacht. Auch jetzt fing sie zu weinen an, konnte gar nicht mehr aufhören. Denn sie hatte das Gefühl, als ob sie in der Mitte entzweigerissen würde. Das hatte sie immer wieder gefürchtet in den letzten fünf Jahren – noch einmal so ausgeliefert zu sein. Sie weinte noch mehr. Auf einmal aber begann sie zu schreien. Spitz, abgehackt, verzweifelt. Es klang wie das Wehklagen eines verwundeten Tieres, das nicht weiß, wie es aus der tödlichen Falle herauskommen soll. Denn eine andere Erinnerung war gerade zurückgekommen: Die an Cedrics erste Umarmung im Flur, als er von Miras Tod erfahren hatte. Nicht einmal eine Sekunde hatte sie gedauert, sofort war er zurückgewichen und hatte Lena mit Misstrauen betrachtet. Wie hatte er so schnell merken können, dass sie gar nicht Mira war? Er hatte doch gar nicht gewusst, dass es noch eine Schwester gab. Lena fand nur eine einzige Erklärung: Cedric war sich absolut sicher gewesen, dass sie nicht Mira sein konnte. Denn Mira war tot. Er wusste, dass sie tot war. Er hatte sie selbst erschlagen.
    Das Telefon läutete. Lena rührte sich nicht. Ob das Cedric war? Ob er wissen wollte, dass sie zu Hause war – alleine und ohne Schutz?
    Es war dunkel. Aber das störte Lilian nicht. Sie lief oft im Dunkeln. Heute hatte sie sich dazu entschlossen, noch am gleichen Abend und nicht erst am nächsten Morgen zu joggen. So sparte sie sich das lästige Aufstehen, denn am folgenden Tag musste sie noch früher raus als sonst. Die Exhumierung von Gisela Dormanns Leiche war für halb sieben angesetzt. Eine solche Prozedur erforderte eine menschenleere Zeit, um keine Friedhofsbesucher zu stören. Das Aufgebot an Anwesenden wäre unübersehbar: Spezialisten vom Erkennungsdienst, ein Rechtsmediziner aus Erlangen, ein Vertreter der Regensburger Staatsanwaltschaft sowie der Gemeindeverwaltung von Maxhütte-Haidhof, Männer von einem Bestattungsunternehmen, ein paar Kollegen in Streife – und Lilian, die diesen ganzen Aufruhr verursacht hatte. Helmuts Zweifel waren berechtigt, sie selbst hatte die gleichen. Aber sie musste alles versuchen, was möglich war, selbst das Unmögliche. Nach der Exhumierung ginge es gleich weiter zu Miras Beerdigung. Wenn sie das nicht schaffte, könnte Helmut sie auf dem Friedhof in Donaustauf vertreten. Sie war überrascht, dass die

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