Katzenhöhle
freute.
»Diesem feinen Pinkel glaub ich kein Wort.« Helmuts Gesicht wurde noch grimmiger. »Erst, wenn der Typ vor mir sitzt, der ihm das Flugticket verkauft haben soll.«
»Und warum hat Cedric Ormond keinen späteren Flug genommen und ein reguläres Ticket erstanden, anstatt einem geldgierigen Unbekannten das seine zu einem so unverschämten Preis abzukaufen?«, fragte Lilian verständnislos.
»Weil er so schnell wie möglich zu seiner holden Mira wollte. Dass ich nicht lache – und als er sie tot daliegen sieht, verzieht er keine Miene.«
»Warum kann sich keiner von der Crew an ihn erinnern, weder die Stewardessen noch das Bodenpersonal? Ein Mann mit langen, weißen Haaren muss doch auffallen.«
»Das hab ich ihn auch gefragt. Aber der Herr Ballettintendant behauptet, er sei inkognito unterwegs gewesen, von wegen ungebetenen Fans. Angeblich hat er die Haare unter einer Mütze versteckt und eine Sonnenbrille aufgehabt.«
»An einem trüben Noch-Wintertag eine wirklich unauffällige Verkleidung. Und als er den Leihwagen abholt, sieht er wieder ganz normal aus.« Lilian überlegte. »Und was ist mit Larissa?«
»Sie war in dem Flugzeug, das sie angegeben hat.«
»Dann war sie auf jeden Fall früher in München als Cedric in Nürnberg. Sie hatte genug Zeit, um Nachforschungen anzustellen. Und wenn Cedric die Adresse von Lena ausfindig machen konnte, dann hätte Larissa das auch gekonnt. Oder was hältst du von einer Agentin, die so unfähig ist?«
Helmut grinste. »Sie ist allerdings wirklich zur Staatsoper gegangen, wie sie gesagt hat – aber nicht nur, um nach Mira zu suchen. Sie wollte auch dort schon Tänzerinnen anwerben.«
»Da sie aber in München nicht erfolgreich war, wollte sie es noch mal mit Mira probieren und ist zu Billy. Als Miras alter Freund hätte er wissen können, wo die steckt. Sag mal, hatten die beiden was miteinander?«
»Er sagt nein, aber ich glaub ihm nicht so recht.« Helmut stutzte. »Weißt du, was komisch ist? Larissa will einige Zeit auf Billy gewartet haben. Sie war wohl schon kurz nach neun bei ihm, aber er hat nicht aufgemacht. Eine Hausbewohnerin ist nach Hause gekommen und hat ihr die Eingangstür unten aufgesperrt. Larissa ist nach oben, hat geklingelt und sich vor Billys Tür gesetzt. Nach zwanzig Minuten ist sie schließlich gegangen, eine Straße weiter hat sie es sich wieder anders überlegt und ist zurück. Da war’s dann halb zehn, und Billy hat sofort geöffnet.«
»Natürlich war er nicht da, er hat doch die Galerien abgeklappert.«
»Das müssen wir erst noch überprüfen. Theoretisch hätte er auch nach Regensburg fahren können.«
»Hätte er schon – aber er wusste doch gar nicht, dass Mira da abgestiegen ist. Außerdem hatte er kein Motiv.«
»Ist eine neue Kneipe, komplett eingerichtet, kein Motiv?«
Morgen sollte die Beerdigung sein. Was würde sie anziehen – das schwarze Kostüm oder den dunkelbraunen Hosenanzug? Das Kostüm war zu weit und der Anzug zu bieder. Sollte sie noch zum Einkaufen fahren – jetzt, wo Geld keine Rolle mehr spielte? Davon hatte sie jahrelang geträumt, doch auf einmal war es nicht mehr wichtig.
Lena ging ins Wohnzimmer und starrte wieder auf den Platz, wo das Sofa gestanden hatte. Sie hatte es in eine Spezialreinigung bringen lassen, und der Teppich war auch weg. Zuerst hatte sie überlegt, ob sie sich nicht gleich ein neues kaufen sollte, sich dann aber dagegen entschieden. Lena hing an dem altertümlichen Plüschmöbel. Ganz genau erinnerte sie sich an den Tag, als sie es von ihrem ersten Gehalt erstanden hatte. Damals hatte sie Mira das letzte Mal gesehen, bevor diese mit Billy nach Berlin gegangen war. An jenem Tag hatte Lena begriffen, dass es nicht mehr eine bloße Wohngemeinschaft sein würde, in der Mira und Billy zusammen lebten. Zuerst hatte sich Lena gegen den Schmerz gesträubt, der sie befiel wie eine gefürchtete Krankheit. Aber sie war machtlos. Die Eifersucht nagte an ihr, fraß sich Stück für Stück in ihr Herz, in ihr Denken, in ihr Fühlen, ohne dass sie wusste, auf wen sie eifersüchtiger war: auf die Schwester, die ihr die erste Liebe weggenommen hatte, oder auf den Freund, der sie und Mira endgültig entzweite. Lenas einziger Schutz bestand darin, jede Verbindung zu den beiden abzubrechen. Sie brauchten sie ohnehin nicht, waren glücklich in ihrer Zweisamkeit, in der kein Platz mehr war für Lena. So fing Lenas halbes Leben an – ohne Mira. Sie versuchte, es durch andere Inhalte
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