Katzenjammer
sehen, weil Sabine direkt über mir steht, aber ich bin mir sicher, dass sie Schaum vor dem Mund hat. Tragisch, denn eigentlich muss man die Frau bei dieser Diagnose sofort erschießen. Ich weiß allerdings nicht, ob Marc ein Gewehr im Haus hat. Er ist da sehr schlecht sortiert, fürchte ich.
»Ja, also«, stottert Nina, »ich weiß gar nicht …«
»Richten Sie Marc einen schönen Gruß aus«, unterbricht Sabine sie erneut, »er soll mich anrufen. Wir müssen reden. Und wir werden reden.«
Dann macht sie auf dem Absatz kehrt, schnappt sich ihre große Tasche und rauscht aus der Wohnung. Als die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fällt, schreckt Herr Beck hoch.
»Was? Wie? Sprichst du mit mir? Also was war denn nun, als du mit Carolin an der Alster spazieren warst?«
In dieser Nacht schlafe ich sehr schlecht. Ständig träume ich von Sabine, die versucht, Luisa aus ihrem Bett zu zerren. Und wenn ich zwischen zwei Alpträumen kurz hochschrecke, horche ich angestrengt, ob irgendjemand durch die Wohnung schleicht. Dabei ist der Abend ganz friedlich zu Ende gegangen. Kurz nachdem die Verrückte abgehauen war, kamen auch schon Marc und Carolin. Sie waren gut gelaunt, hatten offenbar einen tollen Abend zu zweit. Marc hat eine Flasche Wein geöffnet, gemeinsam mit Nina haben sie noch eine Zeitlang im Wohnzimmer gesessen und gequatscht. Nina hat allerdings kein Wort über unsere unheimliche Besucherin verloren, sondern nur erzählt, dass sich Luisa schon auf Carolins Überraschung freut. Dann hat sie sich Herrn Beck unter den Arm geklemmt und ist gegangen. Sehr seltsam, das Ganze.
Jetzt ist es Morgen, und ich fühle mich wie gerädert. Dieser Menschenkram fängt an, sehr anstrengend zu werden. Wie hatte Herr Beck gesagt? Ein Happy End gibt es bei Menschen nicht? Langsam ziehe ich wenigstens vage in Betracht, dass er Recht gehabt haben könnte. Ich sollte mich aus der Angelegenheit raushalten und mich auf mein eigenes Leben konzentrieren. Das allerdings ist leichter gesagt als getan. Denn das Leben eines treuen Dackels ist untrennbar verbunden mit dem seines Herrchens. Und das gilt mit Sicherheit auch, wenn der Dackel ein Dackelmix und das Herrchen ein Frauchen ist.
Zumindest könnte ich aber versuchen, mich verstärkt auf hundgerechte Tätigkeiten wie durch den Park stromern und Kaninchen jagen zu verlegen. Oder ich bleibe einfach mal einen Tag faul im Körbchen liegen. Wir Dackel sind ohnehin nicht die großen Langstreckenläufer. Ein Tag Ruhe wird mir gewiss guttun. Uah, bin ich müde!
Carolin steht auf einmal neben mir. »Alles okay bei dir, Herkules? Du warst so unruhig heute Nacht. Ich habe dich ab und zu heulen hören. Oder musst du nur ganz dringend raus? Vielleicht sollten wir für diese Fälle mal ein Katzenklo besorgen. Nina hat ja nun eines in ihrer Wohnung stehen, ich frage sie mal, wo sie das besorgt hat.«
Katzenklo? Kein Hund mit einem Funken Ehre im Leib würde sich auf so ein Teil hocken. Das wäre ja noch schöner ! Aber typisch Mensch: immer schön bequem. Was ich in solchen Fälle brauche, ist ein Baum, keine Plastikwanne. Jawollja! Ich lege den Kopf auf die Vorderläufe und knurre ein bisschen. Carolin lacht.
»Na gut, also kein Katzenklo. Kannst ja gleich auf dem Weg in die Werkstatt den nächsten Baum aufsuchen. Wir gehen heute mal zu Fuß, ich glaube, das kriege ich wieder hin.«
Hm, das klingt nicht schlecht. Wobei ich mir doch gerade überlegt hatte, einfach hierzubleiben. Ach, was soll’s – ausruhen kann ich mich auch noch in der Werkstatt. Ich komme mit!
Schnell hüpfe ich aus meinem Körbchen und schüttele mich, dann laufe ich in die Küche. Marc und Luisa sitzen auch schon dort, Luisa kritzelt in einem Heft herum, Marc liest Zeitung und trinkt Kaffee. Es sieht ziemlich idyllisch aus – eben doch nach Happy End. Wahrscheinlich habe ich mir völlig umsonst Sorgen gemacht. Liegt bestimmt an meiner Übermüdung.
Carolin geht zum Kühlschrank, holt mein Fresschen und verfrachtet es in die Mikrowelle. Pling! Sie stellt mir ein Schälchen vor die Füße. Ich schnuppere daran. Hm, Herz. Lecker! Okay, die Nacht war schlimm. Aber der Tag lässt sich dafür umso besser an.
Es klingelt. Erst kurz. Dann länger. Dann durchgehend. Marc und Carolin schauen sich fragend an.
»Erwartest du irgendjemanden?«, will Carolin wissen.
»Um halb acht? Natürlich nicht. Keine Ahnung, wer das ist.«
Aber ich weiß es: die Verrückte. Sie ist zurück, ich bin mir ganz sicher. Sie wird
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