Katzenkrieg
blieb abrupt stehen, so dass sein Begleiter, der ihn untergefasst hatte, stolperte. In der Befürchtung, die unausgesprochen höchste Autorität im Triumvirat der Verschwörer verärgert zu haben, schaute Queipo de Llano Mola fragend an. Dieser hielt Stille gebietend den Finger an die Lippen. Dann deutete er auf einen im Halbdunkel des Korridors kaum sichtbaren Gegenstand am Boden. «Sapperlot! Was ist denn das?»
Mola rückte sich die Brille zurecht und beugte sich vornüber. «Sieht aus wie ein blutiger Lappen», sagte er, ohne ihn zu berühren.
«Den wird ein Bediensteter fallen gelassen haben.»
«In einem so großkotzigen Haus? Nicht doch, Gonzalo.»
«Wie interpretierst denn du es?»
«Lass mich nachdenken», sagte die Schachkanone.
Entsetzt stellte Anthony fest, dass der Fundgegenstand sein Taschentuch war: Nachdem er sich eine Weile zuvor an der Mauer verletzt hatte, hatte er es um die Hand getragen und dann in der ganzen Aufregung vergessen und nicht bemerkt, dass er es verloren hatte.
Die Generale waren baff.
«Ob man uns nachspioniert?», sagte Queipo de Llano, griff in die Jacketttasche und zog eine Pistole hervor.
«Kaum – und steck die Kanone wieder ein, Mann!»
«Vielleicht war das Märchen des Hinkebeins nicht so falsch, wie es den Anschein machte.»
«Lass uns Nachschau halten. Du gehst zurück, und ich gehe weiter. Wenn du auf Franco stößt, unterrichte ihn.»
Obwohl ihm die Angst Hirn und Glieder lähmte, war Anthony klar, dass man ihn sehr bald entdecken würde, wenn er hier verharrte, so dass er auf Zehenspitzen hinter Mola herschlich. Nach einer Weile fand er sich unversehens in der Halle des Palais. Dort war die Eingangstür, aber die Wächter draußen ließen es wenig ratsam erscheinen, das Haus auf diesem Weg zu verlassen. Betäubt vor Angst und Zweifel, trafen seine Augen auf die Kopie von Tizians Tod des Aktaion . Immer hatte ihn dieses Bild beunruhigt, und unter den jetzigen Umständen verwirrte es ihn doppelt. Eine lange Periode christlicher Zivilisation und eine weitere Periode bürgerlicher Kultur hatten die griechische Mythologie in den Bereich der poetischen Phantasie verbannt – hübsche Geschichten mit einem verschwommen metaphorischen Sinn. Jetzt dagegen hatte das Bild des anmaßenden Jägers, zu einem grausamen Tod verurteilt und von den eigenen Hunden zerfleischt, nur weil er sich ungewollt des flüchtigen Kontakts mit einer hautnahen, aber unbarmherzigen Göttin erfreut hatte, vieles mit seiner eigenen Erfahrung gemein. Tizian hatte das Bild auf Bestellung gemalt, doch als es fertig war, hatte er beschlossen, es selbst zu behalten. Irgendetwas, was stärker war als Interesse, Rechtschaffenheit und Gehorsam, hatte es ihm verwehrt, es aus den Händen zu geben. Nun hatte er es für den Rest seines Lebens vor Augen. Vielleicht hatte der venezianische Maler ebenfalls eine unverziehene Begegnung gehabt und den unerbittlichen Pfeil empfangen, dachte Anthony.
Ein Geräusch im Korridor riss ihn aus seiner Gedankenversunkenheit, und im Bewusstsein, dass er seine Lage dadurch noch komplizierter machte, aber nicht wissend, wie er anders eine neue unheilvolle Begegnung vermeiden konnte, rannte er treppauf und versteckte sich auf dem dunklen Absatz des oberen Stockwerks.
31
Es wurde früh dunkel, und immer dichtere Schatten hüllten das Palais des Herzogs von Igualada ein, während Anthony Whitelands, in einem Winkel kauernd, die knappen Anweisungen seiner Verfolger hörte, die sich in der von ihm soeben verlassenen Halle versammelt hatten.
«Sollte tatsächlich jemand eingedrungen sein, was ich bezweifle», verkündete in bestimmtem Ton der Butler, «kann er das Haus nicht ungesehen verlassen haben. Ich schlage vor, wir nehmen eine minutiöse Durchsuchung vor, Zimmer für Zimmer. Sie suchen in den Räumen der ersten Etage. Die Bediensteten sind vorgewarnt, falls er sich in die Küche, die Vorratskammer oder die Waschküche flüchtet. Ich übernehme die Schlafzimmer.»
Widerspruchslos fügten sich die Generale der situationsbedingten Autorität dessen, der sich hier am besten auskannte.
Anthony, der sich bereits erwischt fühlte, erwog, ob er sich auf der Stelle ergeben und Schutz beim Herzog suchen sollte. Dieser würde keinerlei Gewalt ihm gegenüber zulassen – schon gar nicht in seinem eigenen Haus –, da er ihn ja in gewissem Sinn in seine Dienste genommen hatte, vorausgesetzt, der Vorfall zwischen seiner Tochter und dem Engländer war ihm nicht zu Ohren gekommen.
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