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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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Aber die Protektion des Herzogs wäre von begrenzter Wirkung. Nichts garantierte das Überleben des direkten Zeugen einer militärischen Verschwörung auf höchster Ebene.
    Aus dieser Überlegung zog er den Schluss, dass er um jeden Preis unbemerkt hier wegkommen musste. Ohne die Treppe aus den Augen zu verlieren, wo er jeden Moment den Butler mit seiner Flinte zu erblicken erwartete, wollte er eiligst zurückweichen, doch eine Hand hielt ihn sanft am Arm fest, und eine heitere Stimme sagte überrascht: «Tony! Was machst du denn hier, so im Dunkeln kauernd? Und das ganze Geschrei?»
    «Lilí!», flüsterte der Engländer, sowie er sich von seinem Schrecken erholt hatte. «Red nicht so laut. Man sucht mich, um mich umzubringen.»
    «Hier bei uns? Wer sucht dich denn?»
    «Das erzähl ich dir später. Und jetzt hilf mir, ich flehe dich an.»
    Die aufgeweckte Lilí erfasste die Lage, bat Anthony in das Zimmer, aus dem sie eben gekommen war, trat ebenfalls ein und schloss die Tür. Der Engländer befand sich in einem großen Raum mit weißen Wänden und einem kleinen Balkon, wo die orangefarbene Helligkeit der Dämmerung hereindrang. Die spärliche Einrichtung bestand aus einem Schreibtisch aus hellem Holz, zwei Stühlen, einem geblümten Sessel und einem von Büchern überquellenden Regal, deren Rücken auf erzieherische Lektüre hinwiesen. Auf dem Tisch lag aufgeschlagen ein Heft, umgeben von Tintenfass, Feder, Löschpapier und anderen Schulutensilien.
    «Das ist mein Zimmer», sagte Lilí. «Ich habe meine Aufgaben gemacht, habe den Lärm gehört und bin herausgekommen, um nachzuschauen. Was ist denn los?»
    «Sie kämmen das Haus von oben bis unten durch. Sie suchen einen Eindringling und glauben, ich bin es», sprudelte Anthony hervor. «Hörst du das Türenschlagen? Sie werden jeden Moment hier sein.»
    «Keine Angst. Komm.»
    Eine Seitentür führte in ein kleines quadratisches Schlafzimmer mit einem bunten Eisenbett, einem Nachttisch, einem Kleiderschrank und einem Betstuhl. Auf dem Nachttisch stand ein Messingkerzenständer mit einer Schachtel Streichhölzer, und über dem Bett hing eine schöne alte Schnitzerei, wahrscheinlich aus Valencia, die die Muttergottes mit dem Jesuskind darstellte. Da wurde an die Tür geklopft, und die Stimme des Butlers dröhnte: «Señorita Lilí! Machen Sie auf!»
    «Los, unters Bett», sagte Lilí. «Ich werde ihn abfertigen.»
    Anthony tat wie geheißen und hörte unter dem Bett folgenden Dialog: «Was ist denn los, Julián? Und was soll die Flinte?»
    «Erschrecken Sie nicht, Señorita, reine Vorsichtsmaßnahme. Haben Sie vielleicht etwas Seltsames gesehen oder gehört?»
    «Nein. Was soll ich denn hören? Ich lerne seit Stunden, und es hängt mir schon zum Hals raus. Sogleich wird mich Pater Rodrigo abhören kommen.»
    «Gut. Schließen Sie die Tür mit dem Schlüssel ab, und machen Sie keinem auf, der nicht zum Haus gehört.»
    Im nächsten Augenblick stand Lilí wieder im Schlafzimmer. «Du kannst rauskommen. Ich habe abgeschlossen, wie man mich geheißen hat, und die Balkonvorhänge zugezogen. Hier bist du sicher, und wenn wieder Ruhe eingekehrt ist, kannst du gehen. Wir werden schon einen Weg finden. Und Pater Rodrigo wird nicht kommen, der ist mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt.»
    Anthony kroch unter dem Bett hervor und klopfte sich den Anzug glatt. Lilí hatte sich auf die Kante gesetzt und ließ die Beine baumeln. Mit der Handfläche tätschelte sie die Matratze, damit sich der Engländer neben sie setzte. Der tat es, und sie schaute ihn durchdringend an. «Der gesuchte Eindringling bist du. Sonst würdest du dich ja nicht verstecken. Was machst du hier? Heute habe ich nicht mit dir gerechnet.» Und ohne eine Antwort abzuwarten, fügte sie hinzu: «Es ist wegen Paquita, nicht wahr? Lüg mich nicht an wie neulich. Du bist mit meiner Schwester zusammen gewesen. Du riechst nach ihr, und vor einer Weile hat sie nach dir gerochen. Ich habe sie weinen hören. Und jetzt dieses Durcheinander … Ach, Tony, was findest du denn an ihr, was ich nicht auch habe? Schau doch – ihretwegen wollen sie dir eine Kugel auf den Pelz brennen. Ich aber schütze dich. Ich weiß nicht, wovor, aber ich schütze dich.»
    «Und dafür bin ich dir aufrichtig dankbar, Lilí. Was das andere betrifft, so kann ich dir erklären …»
    «Ich will keine Erklärungen, Tony. Ich will dich.»
    Sie nahm die rechte Hand des Engländers zwischen die ihren, und ohne den Blick von ihm abzuwenden,

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