Katzenkrieg
irgendeine Verfehlung zur Last legen können, werden wir sie festnehmen. Bis dahin sind uns die Hände gebunden.»
«Aber man hat einen meiner Leute ermordet, Herr Präsident», klagt der Oberstleutnant.
«Dieses Unglück berührt uns alle», antwortet Azaña, «und mich gleich doppelt, als Bürger und als Regierungschef. Jeder gewaltsame Tod ist ein weiterer Schritt auf den Abgrund zu. Wenn wir das Rad nicht aufhalten, wird es bald kein Zurück mehr geben. Aber was ich zum Bild gesagt habe, gilt auch für den Mord. Wir werden eine Ermittlung einleiten, um die Sache aufzuklären, und damit das Gesetz mit seinem ganzen Gewicht auf die Schuldigen fällt, das ist alles. Es wird keine leichte Aufgabe sein. Wenn der Hauptmann, wie uns Señor Whitelands eben erklärt hat, die Verschwörer erkannt hat, sind diese die ersten Verdächtigen, aber natürlich werden sie alle Spuren beseitigt haben. Dass die Leiche auf einem Baugrund aufgetaucht ist, schließt einen zufälligen Tod in einem Straßengefecht aus. Wir können aber auch nicht aufgrund reiner Mutmaßungen operieren, und schon gar nicht gegen aktive Generale, die im Tatmoment offiziell viele Kilometer von Madrid entfernt waren. Wie auch immer, die Verschwörung scheint sich in ihrem Endstadium zu befinden. Aber ich weise noch einmal darauf hin, dass wir den Tod dieses Pedro Teacher nicht vergessen dürfen. Sowohl er wie Hauptmann Coscolluela sind Señor Whitelands dichtauf gefolgt. Wahrscheinlich gibt es da einen Zusammenhang, der uns entgeht.»
Er verstummt, zündet sich eine Zigarette an, schaut auf die Uhr. Es ist schon sehr spät. Als er das feststellt, wird ihm seine eigene Müdigkeit bewusst. Auch die anderen sind blass und haben Augenringe. Seufzend fährt er fort: «Meine Herren, wir befinden uns wie gesagt am Rande des Abgrunds. Einstweilen kann sich niemand dazu aufraffen weiterzugehen. Aber es braucht nur einen Schubs, um das Land in die Katastrophe zu stoßen. Und ich bin überzeugt, dass dieser Schubs, wenn es denn so weit kommt, von einem rein historisch gesehen eher unwichtigen Umstand ausgehen wird, von etwas, was künftige Generationen als Anekdote betrachten werden und aufbauschen müssen, um überhaupt zu verstehen, warum sich ein Land in einen Bruderkrieg gestürzt hat, wenn es das hätte vermeiden können. Und ich bringe dieses Bild nicht aus dem Kopf, zum Teufel.»
Er macht eine lange Pause und fügt hinzu: «Im Augenblick können wir nichts tun, wie gesagt. Allerdings hindert uns auch nichts daran, Señor Whitelands zu bitten, auf eigene Faust weiterzuermitteln. Er selbst hat uns seinen Entschluss mitgeteilt, so schnell wie möglich nach London zurückzukehren, und angesichts dessen, was geschehen ist, halte ich das für vernünftig. Nicht einmal als Regierungschef würde ich es wagen, ihm vorzuschlagen, seine Abreise aufzuschieben, bis er mit dem Herzog von Igualada ein letztes Gespräch geführt hat. Sollte er das jedoch tun, könnte er vielleicht etwas Neues herausfinden, das uns hilft, tiefer in das ganze Geheimnis einzudringen.»
Oberstleutnant Marranón kann seine zunehmende Nervosität nicht verbergen und unterbricht ihn barsch: «Bei allem Respekt, das halte ich für keine gute Idee. Diese Mission beinhaltet ein hohes Risiko. Diese Leute fackeln nicht lange, und ich habe bereits einen Mitarbeiter verloren. Auf diese Art halten wir den drohenden Putsch nicht auf, verdammt.»
Anthony ist ein bisschen gerührt, als er aus diesen Worten, vielleicht irrtümlich, eine gewisse Sorge des Oberstleutnants um seine Sicherheit herausliest. Alonso Mallol antwortet: «Er ist Engländer, da werden sie es nicht wagen.»
«Die wagen alles. Auch Pedro Teacher war Engländer. Und die Botschaft wird für einen Privatmann, der sich einmischt, kein Risiko eingehen. Uns dagegen kann er in Schwierigkeiten bringen.»
Azaña sagt: «Alles hat seine Vor- und Nachteile, aber die Diskussion ist müßig. Das letzte Wort hat Señor Whitelands.»
Señor Whitelands hat aber zu jedermanns Verwirrung, auch zu seiner eigenen, bereits eine Entscheidung getroffen. «Ich werde in dieses Haus gehen», verkündet er, «ob Sie es für zweckmäßig halten oder nicht. Mir ist klar geworden, dass ich nicht abreisen und die Dinge so belassen kann, wie sie sind. Ich meine das Bild. Ich bin Kunstexperte, ich habe einen Ruf. Das wiegt schwerer als die Vorsicht.»
Weitere Gründe verschweigt er, da sie die Anwesenden nichts angehen. «Ich werde Sie auf dem Laufenden halten, so
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