Katzenkrieg
Entweder findet der Aufstand jetzt statt, mit der Falange als Lanzenspitze, oder die Falange wird auf eigene Faust ins Gefecht ziehen. Wir haben sie ja dann gewarnt. Fürs Ergebnis werden vor Gott und der Geschichte einzig und allein sie verantwortlich sein.»
Dann bat er José María Alfaro, Serrano Suñer zu rufen. Als dieser den Raum betrat, sagte er: «Ramón, ich möchte, dass du mir so schnell wie möglich ein Treffen mit deinem Schwager organisierst. Wenn es schon morgen sein kann, umso besser.»
Als sich die Versammlung auflöste, folgte Pater Rodrigo José Antonio wie ein Schoßhündchen. «Trauen Sie den Militärs nicht, Herr Marquis. Sie werden keinen Krieg Gottes führen, sondern den ihren.»
34
Mit seinen sechsundfünfzig Jahren wirkt Manuel Azaña vorzeitig gealtert. Dick, kahl, blass, hässlich, mit mürrischem Ausdruck, die Augen hinter den dicken Brillengläsern zwei schläfrige oder heimtückische Spalten, je nach Gutwilligkeit des Betrachters. Anthony Whitelands hat ihn bisher immer nur auf Fotos und in Karikaturen der Rechtspresse gesehen, als Kröte, Kaulquappe oder Schlange. Jetzt hat er ihn leibhaftig vor sich. Im Büro des Regierungschefs hat er einmal mehr die Geschichte erzählt, die er zuvor in der Obersten Polizeidirektion Oberstleutnant Marranón und dann Ministerialdirektor Don Alonso Mallol und Innenminister Don Amós Salvador erzählt hat. Letzterer hat den Präsidenten angerufen, der sie trotz der vorgerückten Stunde sogleich empfangen und aufmerksam zugehört hat. Nachdem der Engländer geendet hat, schaut ihn Azaña fest an. «Sind Sie sicher, dass das Bild von Velázquez ist?»
Anthony verwirrt die Frage ebenso wie seine Begleiter. Azaña verzieht das Gesicht zu einer Grimasse, die ein komplizenhaftes Lächeln sein soll. «Seien Sie nicht beleidigt. Die Geschichte mit der Konspiration und die Namen der Generale habe ich sehr wohl gehört, aber sie überrascht mich auch nicht, wie Sie ganz genau wissen. Die Sache mit dem Bild dagegen hat nicht im Libretto gestanden. Ich verstehe wenig von Kunst, Señor Whitelands. Meine Stärke ist die Literatur. Könnte ich mit jemandem tauschen, würde ich mit Tolstoi oder Marcel Proust tauschen. Das sage ich natürlich jetzt. Als junger Mann hätte ich mit Rodolfo Valentino tauschen wollen.»
Wieder lächelt er, diesmal etwas weniger fratzenhaft. Als sie ihn anriefen, war er auf dem Sprung gewesen, nach Hause zu gehen. Jetzt hat er beschlossen, dass das Gespräch lang würde, und schickt sich gutgelaunt in die Unannehmlichkeit. «Ich habe lange in Paris gelebt», sagt er zum Engländer, denn die anderen wissen es bereits, «vor dem Ersten Weltkrieg. Die Studienkommission hatte mir ein Stipendium gegeben, um Kurse an der Sorbonne zu belegen. Eigentlich interessierten mich nur die Kunst und das intellektuelle Leben in dieser großen Stadt. Und die jungen Mädchen, wie Sie sich denken können. Jeden Tag bin ich in den Louvre gegangen und habe eine Stunde in einem der Räume der Antike verbracht oder verzückt vor einem Bild gestanden. Dann bin ich in mein Zimmer zurückgegangen und habe versucht, meine Eindrücke schriftlich festzuhalten. Verzeihen Sie, meine Herren, wenn ich abschweife.» Mit einer Handbewegung bezieht er die anderen mit ein. «Es ist schon spät, ich habe einen langen und sehr langweiligen Tag gehabt. Sie werden ebenfalls müde sein. Ich bin gleich fertig. Ich habe gesagt, dass ich täglich in den Louvre ging. Mich hat die italienische Malerei fasziniert, vor allem die venezianische Schule. Aus diesem Grund habe ich auch einmal einen Vortrag über Tizian besucht, den ein Landsmann von Ihnen gehalten hat, ein Oxford- oder Cambridge-Professor. Ein Mann mittleren Alters, gutaussehend, elegant, etwas affektiert in seinen Gesten, der sich unsicher gab, aber gut dokumentiert und sehr intelligent war, mit einer erstaunlichen Bildung, ganz anders als unsere hochgestochenen ignoranten Gelehrten. Er hat mich so beeindruckt, dass ich mich noch immer an seinen Namen erinnere: Garrigaw. Der ganze Vortrag war einem einzigen Bild gewidmet: Tod des Aktaion. Das Bild hing nicht im Louvre, überhaupt in keinem Museum. Offenbar gehörte – und gehört es sicherlich immer noch – einem vom Glück begünstigten Privatmann. Für den Vortrag hatten wir eine wunderbare Kopie, an der uns der Professor die verschiedenen Details dieser merkwürdigen mythologischen Episode zeigte. Natürlich hat mich die Fabel und die Art, wie sie dargestellt ist,
Weitere Kostenlose Bücher