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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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unumstößliche Diagnose über Spaniens Übel und deren problemlose Behebung darzulegen. Die meisten der Debattierer waren Arbeiter, aber es waren auch Büroangestellte, Handwerker, Geschäftsleute, angehende Journalisten darunter, alle einander in der gemeinsamen Liebe zum Stierkampf verbunden, die sämtliche sozialen Schranken beseitigte. Diejenigen, die kurz zuvor das Lokal betreten hatten, waren Falangisten. Ganz sicher suchten sie Streit, doch die friedliche Stimmung unter den Anwesenden und der unpolitische Charakter des Lokals nahmen ihnen den Wind aus den Segeln. Die Falangisten, wurde ihm erzählt, seien gering an der Zahl, meistens junge Leute und also stürmische Wirrköpfe; da ihre Partei aus den letzten Wahlen schwer angeschlagen hervorgegangen sei, betrieben sie jetzt Agitation. Sie wähnten sich als die Herren der Straße, besonders in Madrid, aber manchmal würde ihnen von den Sozialisten oder Anarchisten das Fell gegerbt. In letzter Zeit hätten sich die Konfrontationen verschärft, so dass am Schluss nicht selten Verletzte oder sogar Tote zurückblieben. Die Falangisten, sagte jemand, seien feine Pinkel, Muttersöhnchen, und das Schlimme dabei sei, dass ihnen die Mutter das Geld und der Vater die Pistole gebe. Wie man höre, sei an diesem Morgen eine Handvoll Rotznasen in blauen Hemden auf einer sozialistischen Versammlung erschienen und habe eine Schrotladung auf das Rednerpodium abgefeuert. Noch bevor sich die Anwesenden von ihrem Schrecken erholt hätten, hätten die Angreifer in einem Auto das Weite gesucht. Und wäre in diesem Augenblick, fuhr der Gast fort, gerade jemand vorübergegangen, der wie ein Kapitalist oder, noch schlimmer, wie ein Pfaffe ausgesehen hätte, so hätten sie zweifellos Hackfleisch aus ihm gemacht. Und so, schloss er, bezahlten die Gerechten die Zeche für die Sünder.
    Das Problem sei, sagte ein anderer, dass es mittlerweile weder Gerechte noch Sünder gebe. Man könne leicht den Falangisten alles Übel in die Schuhe schieben, aber man dürfe nicht vergessen, was ihren Boden gedüngt habe – Attentate, Streiks und Sabotageakte, Kirchen- und Klosterbrände, Bomben und Dynamit, nicht zu vergessen die kategorischen Erklärungen, welches letztlich das Ziel dieser ganzen Aktionen sei, nämlich die Abschaffung von Staat, Familie und Privatbesitz. Und all das unter den – feigen oder komplizenhaften – Augen der Behörden. Angesichts dieses Panoramas dürfe man sich nicht wundern, dass einige Sektoren der Gesellschaft beschlossen hätten, Maßnahmen zu ergreifen, um ihrer Stimme Gehör zu verschaffen oder doch wenigstens mit der Waffe in der Hand zu sterben.
    Ohne ihn ausreden zu lassen, mischte sich ein kleingewachsener Mann mit abgeschabter Melone ein, der sich als Mosca und Mitglied der Gewerkschaft UGT ausgab. Nach Señor Moscas Ansicht lag die Wurzel des Konflikts in der Haltung der Katalanen, die angeblich die Verwaltungsstrukturen des spanischen Staates verändern wollten, eigentlich aber die Einheit Spaniens zerstört hätten, so dass die Nation jetzt wie eine Mauer einstürze, der man den Mörtel entzogen hätte. Da sich keine Katalanen im Lokal befanden, widerlegte ihn niemand, und niemand wies ihn auf die fragwürdige Präzision der Metapher hin, so dass Señor Mosca fortfuhr, seit das Zusammengehörigkeitsgefühl für das gemeinsame Vaterland verlorengegangen sei, schließe sich jeder Bürger der erstbesten an seinem Haus vorbeiziehenden Prozession an und sehe in seinem Nachbarn einen Feind statt einen Landsmann. Bevor er ausreden konnte, wurde er von anderen Gästen niedergeschrien, die unbedingt ihre eigene Analyse zum Besten geben mussten. Um sich Gehör zu verschaffen, stellte sich Señor Mosca auf die Zehenspitzen und reckte den Hals, mit dem einzigen Erfolg, dass seine Melone vom Gefuchtel eines anderen Gastes wegkatapultiert wurde.
    Die Polemik wurde lauter, und Anthony, dem der Kellner nachgeschenkt hatte, meldete sich zu Wort, um seine Überzeugung zu verkünden, alles sei durch Dialog und Verhandlungen zu lösen. Das trug ihm die Feindschaft der Gäste ein, die ihn, da er für niemanden Partei ergriff, je und je als Verbündeten des Gegners einstuften. Schließlich trat ein Mann zu ihm, nahm ihn am Arm und bedeutete ihm, er solle sich zum Ausgang führen lassen. Anthony warf einige Münzen auf die Theke und folgte dem anderen. Nachdem sie ohne Zwischenfall die Menschenbarriere hinter sich gebracht hatten und auf der Straße standen, sagte der

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