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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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Unbekannte: «Es gibt ja keinen Grund, warum Sie eine Ohrfeige einstecken sollten.»
    «Sie glauben, das hätte ich getan?»
    «Wahrscheinlich schon. Sie sind der Größte, und als Ausländer haben Sie niemanden, der in Ihrem Namen zurückschlägt. Wenn Sie es nicht glauben, dann gehen Sie ruhig wieder rein. Sie können sich wohl vorstellen, wie egal mir das ist.»
    «Nein, Sie haben recht, und ich danke Ihnen, dass Sie mir die Augen geöffnet haben. Außerdem ist es spät, und ich sollte ins Hotel zurück, anstatt mich in Dinge einzumischen, die mich nichts angehen.»
    Er reichte seinem unbekannten Wohltäter die Hand, doch der übersah sie, steckte die seinen in die Manteltaschen und sagte: «Ich begleite Sie zu Ihrer Unterkunft. Die Straßen sind gefährlich, um diese Zeit erst recht. Ich kann Ihnen natürlich keinerlei Sicherheitsgarantie geben, aber da ich von hier bin und ein alter Fuchs, merke ich, wann man besser auf die andere Straßenseite geht und wann man die Beine untern Arm nehmen muss.»
    «Das ist sehr nett von Ihnen, aber ich möchte Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereiten. Mein Hotel ist ganz in der Nähe.»
    «Dann ist es noch weniger eine Unannehmlichkeit. Und falls Sie, statt gleich ins Hotel zu gehen, eine Weile in guter Gesellschaft sein wollen, kenne ich gleich um die Ecke ein Haus, sehr hygienisch, günstig und mit erstklassigem Personal.»
    «Ach», sagte der Engländer, der spürte, wie die Wirkung des Alkohols schwand und seine Sinne für die Nachtkälte und die eben überstandene Gefahr erwachten, «als Student hier in Madrid habe ich einmal ein Bordell besucht.»
    «Nun, jung gewohnt, alt getan», sagte der andere.
    Sie gingen ein Stück durch die Gran Vía und bogen dann in eine dunkle Seitengasse ein. Vor der Tür eines schmalen, heruntergekommenen Hauses mit abgeblätterter Fassade klatschten sie in die Hände, bis der Nachtwächter angetorkelt kam und mit einem Schlüsselbund in der Luft wedelte. Schon von fern stank er nach Wein; seine Augen waren halb geschlossen. Untertänigst riegelte er die Tür auf, bedankte sich mit einer Verneigung und einem Rülpser für das Trinkgeld und trollte sich. Sie traten in einen engen Flur, und der freundliche Fremdenführer sagte: «Steigen Sie in den zweiten Stock hinauf, rechte Tür, und fragen Sie dort nach der Toñina. Ich gehe nicht mit, heute bin ich nicht zu so was aufgelegt, aber ich werde hier in aller Ruhe auf Sie warten und ein Zigärrchen schmauchen. Sie brauchen sich nicht zu beeilen, ich habe Zeit. Ach, bevor Sie raufgehen, würde ich Ihnen raten, mir die Brieftasche zu geben, auch den Pass und was Sie sonst noch an Wertvollem bei sich haben, außer dem Betrag für die Dienstleistung und ein bisschen mehr, falls sie auf was Besonderes verfallen. Die Mädchen sind zwar anständig, aber Taschendiebe kann es in den besten Lokalen geben.»
    Anthony fand den Vorschlag seines Begleiters vernünftig und übergab ihm Geld, Ausweise, Uhr und Füllfederhalter. Dann stieg er im schwachen Licht einer über dem Treppenschacht flackernden Glühbirne in den zweiten Stock hinauf und klingelte. Eine alte Frau in Hauskleid und Schal öffnete ihm. Vier weitere Frauen in fortgeschrittenem Alter hörten Radio und spielten um einen Tisch mit Kohlebecken herum Briska. Der Engländer sagte, er wolle die Toñina sehen. Die Alte machte eine überraschte Handbewegung, verschwand aber wortlos hinter einem Vorhang und kam sogleich mit einem sehr schlanken, sehr hübschen jungen Mädchen zurück, das sie sicherlich verborgen hielten, weil es noch minderjährig war. Sie nahm Anthony bei der Hand und führte ihn in einen Verschlag mit Pritsche und Waschständer, hinter dem er einige Zeit später höchst zufrieden wieder hervorkam. Nachdem er bezahlt hatte und die Treppe hinuntergestiegen war, fand er weder im Flur noch auf der Straße jemanden, der auf ihn wartete. Alles war geschlossen, so dass er eiligen Schrittes zum Hotel ging und sich ins Bett legte. Als er das Licht löschte, befiel ihn der Verdacht, einem Gaunertrick aufgesessen zu sein, aber todmüde, wie er war, schloss er die Augen und schlief auf der Stelle ein.

7
    Als er die Fensterläden öffnete, erblickte er einen bedeckten Himmel, aus dem feiner Regen fiel, der die Dächer nässte; unversehens kam ihm in den Sinn, wie dieses Phänomen auf Spanisch hieß: calabobos , Nieselregen oder «Narrennässer», eine Bezeichnung, die zu ihm passte. Trotz des Katers vom Vorabend erkannte er in aller

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