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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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Deutlichkeit, wie dramatisch seine Situation war. Vor lauter Kater und Angst war ihm übel. Ein handfester Happen und ein starker Kaffee hätten ihm gutgetan, aber er hatte ja keinen Céntimo, und so musste er sich das aus dem Kopf schlagen; ohne Pass konnte er auch nicht zur Bank gehen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als bei der britischen Botschaft um Hilfe nachzusuchen, so groß die Schmach auch war, vor einem mürrischen Funktionär als der naivste aller Touristen dazustehen.
    Vor dem Regen unter den Vordächern Schutz suchend, ging er durch den Paseo del Prado und dachte darüber nach, wie er sich ohne Papiere auf der Botschaft am besten zu erkennen geben konnte. Sollte irgendein Beamter seine Abhandlungen über die spanische Malerei des Goldenen Zeitalters kennen, würde sein bloßer Name genügen; andernfalls sähe er sich gezwungen, seine Beziehungen im Foreign Office spielen zu lassen, obwohl ihn das ein wenig beunruhigte, denn sein Freund dort war ebenjener ehemalige Cambridge-Kommilitone, der jetzt der Ehemann von Catherine war, von der, wenn sich denn der Abschiedsbrief schon in ihren Händen befand, eine zornige Reaktion oder vielleicht das Geständnis ihres Liebesabenteuers zu erwarten war. In beiden Fällen war es eine schlechte Idee, die Machtbefugnis seines Freundes in Anspruch zu nehmen. Zudem erforderte der Zweck von Anthony Whitelands’ Aufenthalt in Madrid allerhöchste Diskretion. Er fragte sich, ob er bei der Art seines Auftrags nicht sogar an ein striktes Berufsgeheimnis gebunden war und also seine Anwesenheit hier unmöglich dem Auswärtigen Dienst seines Landes bekanntgeben durfte. Wenn ihm jedoch die Botschaft nicht beistand, wie sollte er aus einer offensichtlich hoffnungslosen Lage herausfinden? Die einzige Alternative war, das Vorgefallene dem Herzog von Igualada zu erzählen und sich unter seinen Schutz zu begeben. Natürlich hieß das, in den Augen des Herzogs und seiner Familie alle Achtbarkeit und alles Vertrauen einzubüßen. Er wurde abwechselnd rot und blass allein bei der Vorstellung von Paquitas Ausdruck, wenn sie von seinen Abenteuern erführe. Alles hatte sich gegen ihn verschworen, dachte er.
    Als er bei der Plaza de Neptuno war, wurde der Regen dichter. Da er nicht wusste, wo er Zuflucht suchen sollte, erreichte er in ein paar großen Schritten die Treppe des Prado und ging zum Ticketschalter. Es war noch sehr früh und die Besucherzahl gering, und so erkannte ihn die Verkäuferin und ließ ihn mit einer Freundlichkeit, die ihn in seiner ganzen Schutzlosigkeit rührte, passieren, ohne seine Akkreditierung zu verlangen, die ihm ebenfalls gestohlen worden war. Einmal im Trockenen und noch unentschlossen, wohin er sich wenden sollte, ließ er sich von seinen Schritten wiederum in den Velázquez-Saal führen. Er wollte sich Die Spinnerinnen ansehen, aber als er an Menippos vorbeikam, blieb er abrupt stehen, gebannt vom Blick dieses Mannes, halb Philosoph, halb Gauner. Immer schon hatte ihn Velázquez’ Wahl dieses Sujets erstaunt. 1640 malte Velázquez zwei Porträts, Menippos und Äsop , mit denen er gegen zwei ähnliche Porträts des damals in Madrid ansässigen Peter Paul Rubens um die Gunst des Königs wetteifern wollte. Rubens hatte die beiden großen griechischen Philosophen Demokrit und Heraklit gemalt. Velázquez dagegen hatte sich zwei Persönlichkeiten der zweiten Liga ausgesucht, eine sogar nahezu unbekannt. Äsop war ein Fabeldichter und Menippos ein kynischer Philosoph, von dem nichts Gesichertes überliefert ist, außer dem, was Lukian von Samosata und Diogenes Laertios berichten. Laut diesen beiden wurde Menippos als Sklave geboren und schloss sich der Sekte der Kyniker an, verdiente mit nicht immer lupenreinen Methoden viel Geld und verlor in Theben sein ganzes Hab und Gut. Laut der Legende stieg er in den Olymp auf und in den Hades ab und fand an beiden Orten dasselbe vor: Korruption, Betrug und Gemeinheit. Velázquez malte ihn als hageren, schon bejahrten, aber noch energiegeladenen Mann, in Lumpen gehüllt, ohne Zuhause und materiellen Besitz und ohne weitere Mittel als seine Intelligenz und Gelassenheit gegenüber den Missgeschicken. Äsop, sein malerisches Gegenstück, hat ein dickes Buch in der rechten Hand, zweifellos seine berühmten, aber schlichten Fabeln. Auch Menippos wird von einem Buch begleitet, aber es liegt am Boden, offen und mit einer angerissenen Seite, als wäre alles je Geschriebene ohne Interesse. Was hatte uns Velázquez wohl sagen

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