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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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karamellfarbener Tropfen.
    Sie stiegen in den zweiten Stock hinauf und klingelten. Nach einer Weile hörte man schlurfende Schritte, und die Alte öffnete in Plüschhausmantel, Pantoffeln und Pulswärmern die Tür. Als sie den Engländer erblickte, stemmte sie die Arme in die Hüften und rief heiser: «Also wirklich, haben Sie denn keinen anderen Ort in Madrid, wo Sie hinkönnen? Wissen Sie, wie spät es ist, verdammt? Und wenn Sie nix zu futtern haben, dann gehen Sie in Ihr Land zurück. Oder nach Gibraltar, dafür haben Sie es uns ja geklaut.»
    Anthony verneigte sich und knallte mit der Stirn an den Türpfosten. «Sie missverstehen mich, Doña Justa», murmelte er, den von Higinio Zamora Zamorano zuvor genannten Namen aus dem Gedächtnis angelnd. «Ich bin nicht mehr arm wie letztes Mal und komme auch nicht zum Schmarotzen. Dank der Redlichkeit dieses guten Freundes, der mich als mein Gast begleitet, habe ich die Brieftasche und alles Geld wiederbekommen.»
    Erst jetzt sah die Justa Higinio Zamora, und ihr Gesicht wurde weicher. «Hätten Sie auch gleich sagen können. Higinios Freunde finden in diesem Haus immer eine Ecke. Na, dann mal rein, bleiben Sie nicht draußen, sonst setzt’s noch eine Grippe. Eine Hundenacht. Drinnen mit dem Kohlebecken haben wir’s ganz leidlich.»
    Die beiden Männer traten in das kleine Wohnzimmer, das Anthony von seinen früheren Besuchen her kannte. Eine Petroleumlampe auf dem runden Tischchen beleuchtete eine halbvolle Flasche, zwei Gläschen und einen mit Krumen bedeckten Teller. Am Tisch saß eine Greisin mit ledernem Gesicht, so winzig und eingepackt, dass sie kaum von den Kissen und Decken zu unterscheiden war, die, unregelmäßig im Zimmer verteilt, den schlechten Zustand der Möbel vertuschen sollten. In der Stille der Nacht tropfte ein Wasserhahn, und im Hof des Hauses miaute eine Katze. Higinio hängte Mantel und Hut an den Kleiderbügel und half dem Engländer beim Ablegen. Dann wärmten sie sich unter den langen Schößen des Tischtuchs die Füße, während die Justa zwei weitere Gläser aus dem Büfett holte und den beiden Männer Anisschnaps einschenkte. «Jetzt geh ich die Kleine aufwecken», verkündete sie.
    «O nein, stören Sie sie nicht, wenn sie schläft», flüsterte Anthony matt. «Nicht meinetwegen …, ich bin nicht gekommen, um zu …»
    Higinio kam seinem Freund zu Hilfe: «Lass das, Justa. Wir wollen uns nur ein bisschen die Zeit vertreiben – auf der Straße ist wieder geschossen worden.»
    «Verfluchte Politik!», brummte die Alte, während sie sich an den Tisch setzte. Dann sagte sie zum Engländer: «Früher sind hier die Studenten hergekommen. Großmäuler, die wenig Kohle gebracht haben, aber immerhin. Aber jetzt macht es ihnen mehr Spaß, sich zu prügeln und sich verprügeln zu lassen, oder Schlimmeres noch. Kurzum, bei der Kälte und dem ganzen Towuhawobu kommt kein Aas mehr her. Das Land kracht zusammen, den Don Niceto und Ortega y Gasset soll der Teufel holen.»
    «Die trifft keine Schuld, meine Liebe», sagte Higinio. Und um das Thema zu wechseln, erkundigte er sich bei der Greisin mit lauter Stimme nach der Gesundheit. Sie schien ins Leben zurückzukehren und klappte einen zahnlosen Mund auf, als wollte sie etwas sagen, doch sogleich klappte sie ihn wieder zu und nickte ein.
    «Sie müssen sie entschuldigen», sagte die Justa zu Anthony. «Doña Agapita wohnt allein in der Wohnung nebenan, und in ihrem Alter ist sie ein bisschen plemplem. Stocktaub, halbblind, völlig blank und ohne niemanden, der sich um sie kümmert. Wenn’s so kalt ist, hol ich sie rüber, weil bei sich hat sie nicht mal ein Kohlebecken.»
    Mitleidig betrachtete Anthony die hilflose Greisin, und als hätte diese erraten, dass sie für einen Augenblick in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt war, krächzte sie: « Churros , Schnaps und Apfelsaft!»
    «Und diese Schüsse?», fragte die Justa, ohne ihre Nachbarin weiter zu beachten.
    «Wer weiß!», sagte Higinio. Und zum Engländer: «In Spanien läuft seit Jahrhunderten alles schief, aber in den letzten Monaten geht es überhaupt nur noch drunter und drüber. Die Falangisten schießen auf die Sozis, die Sozis auf die Falangisten, auf die Anarchisten und ab und zu auf sich selbst. Und unterdessen reden alle davon, dass sie die Revolution vom Zaun brechen werden. Was für ein Unsinn. Um eine Revolution zu machen, ob von rechts oder von links, muss man das Ganze zuerst mal ernst nehmen: Einheit und

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