Katzenmond
habe. Es tut mir leid, dass ich euch in Gefahr gebracht habe. Ich weiß, was ihr tut – das ist euch ja inzwischen klar. Ich weiß, gegen wen ihr kämpft. Und ich wollte mich vergewissern, dass ihr nicht selbst die Weltherrschaft übernehmen wollt, aber … na ja … es tut mir leid.« Er schloss die Augen, und seine leisen Atemzüge sagten mir, dass er eingeschlafen war.
Ich tätschelte seine Hand und bedeutete Sharah, kurz mit nach draußen zu kommen. »Lass ihn gut bewachen. Solange wir diese Hexer nicht erwischt haben, ist er nirgends sicher.«
Sie nickte und begleitete uns zum Ausgang. »Körperlich ist er auch noch nicht ganz über den Berg, aber ich glaube, er kommt durch. Allerdings wird er das Bein wahrscheinlich verlieren. Es ist so gründlich zertrümmert, dass wir trotz Mallens Geschick die meisten Blutgefäße nicht wieder zusammenfügen konnten. In vierundzwanzig Stunden dürfte klar sein, ob wir es amputieren müssen.«
»Ich wüsste wirklich gern, wie viel er Van und Jaycee über uns erzählt hat.« Als Camille den Mund öffnete, hob ich abwehrend die Hand. »Ich weiß, dass er das nicht wollte – er hat uns nicht absichtlich verraten, aber es bleibt die Tatsache, dass er geredet hat. Und jetzt haben wir keine Ahnung, ob sie wissen, wohin wir die Geistsiegel gebracht haben.«
Camille stieß den Atem aus. »Da hast du natürlich recht. Das ist eigentlich die größte Gefahr, nicht wahr? Wenn die dahinterkommen, dass Königin Asteria die Geistsiegel hat, sieht es für Elqaneve nicht gut aus. Sie werden die Goblins aus Guilyoton rekrutieren und die Stadt angreifen. Selbst wenn es ihnen nicht gelingt, genug Dämonen durch irgendwelche Portale zu schleusen – mit den Goblins und Ogern und so weiter können sie einen hässlichen kleinen Krieg anzetteln. Also, was jetzt?«
»Sehen wir nach, ob es Martin gut geht. Nein, zuerst schauen wir bei Carter vorbei. Und dann müssen wir zur ÜW -Versammlung.« Ich schlüpfte auf den Beifahrersitz.
Camille setzte sich hinters Lenkrad, zog die Beine nach und knallte die Tür zu. Morio und Shade stiegen hinten ein. Sobald alle saßen, fuhr sie los – auf zu Carter.
In Carter, Sohn einer Dämonin und eines Titanen, steckte viel mehr, als der Anschein vermuten ließ. Er humpelte und trug ein Bein in einer Schiene, und sein zottiges rotes Haar war stets ordentlich und schick frisiert. Aus seinem Kopf ragten zwei geschraubte Hörner auf, die seine dämonische Abstammung verrieten. Carter behielt sämtlichen dämonischen Besuch in Seattle im Auge, und seine Aufzeichnungen reichten mehrere Hundert Jahre zurück. Außerdem gehörte er der Societas Daemonica Vacana an, einer geheimen Organisation, die das Treiben von Dämonen in der menschlichen Gesellschaft beobachtete – und manchmal auch eingriff.
Er hatte eine bescheidene Souterrainwohnung im Broadway-Viertel, in dem Junkies und Nutten sich richtig wohl fühlten. Doch Carter drohte keine Gefahr, und eine magische »Verpiss dich«-Zone auf dem Gehweg und am Straßenrand vor der Treppe, die zu seiner Wohnung hinunterführte, hielt zwielichtige und kriminelle Gestalten vom Herumlungern ab.
Ich klopfte an die Tür, die gleich darauf geöffnet wurde. Carter spähte heraus, musterte uns kurz und trat zurück, um uns einzulassen. In den vergangenen paar Monaten hatten wir ihn nur selten gesehen, und wir waren nicht sicher, wie erfreut er über unseren Besuch sein mochte.
»Was kann ich für euch tun?« Er war so höflich wie immer, kam mir aber ein bisschen distanzierter vor als sonst. Carter hatte eine wunderschöne, stumme Ziehtochter namens Kim gehabt, bis vor kurzem.
»Wir müssen dir etwas erzählen, und wir würden gern deine Meinung dazu hören.« Er bedeutete uns, in dem abgewohnten, aber eleganten Wohnzimmer Platz zu nehmen. Das mit Samt bezogene Sofa war makellos sauber, ebenso wie die dicken Teppiche auf dem Estrichboden. Alles sah so aus wie immer, aber der Raum fühlte sich ein wenig leerer an.
Der Vorhang zu der kleinen Küche teilte sich, und ein Mann, etwa Anfang dreißig, trat mit einem Tablett mit Tee und Keksen heraus. Er sah menschlich aus, doch das musste nichts heißen. Carter lächelte zu ihm auf und bedeutete ihm, sich zu uns zu setzen.
»Ich möchte euch meinen neuen Assistenten vorstellen. Das ist Tobias. Toby, das sind Delilah und Camille D’Artigo, Morio und Shade.« Er lächelte dem jüngeren Mann verschwörerisch zu, und der lächelte verschmitzt zurück. In dem Moment war
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