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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
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einfach ein Kater.«
    Die Katzen schwiegen. Blicke liefen herum, drei verstörte und ein ruhiger. Wu wirkte erhaben wie immer, aber Serrano meinte, ihr dennoch einen unterdrückten Ärger anzumerken.
    »Sollte es so sein, wirst du zugeben, dass es kein normaler Kater ist.«
    »Nein. Die normalen sitzen mit zerfetztem Fell zu Hause. Hier haben wir es mit einem zu tun, der, sagen wir, von manchem sehr viel und von anderem zu wenig besitzt. Auf sein Konto geht zunächst ein gehöriges Maß an Potenz.« Die Augen der Perserinnen weiteten sich. Die beiden jüngeren drängten sich unwillkürlichnäher an Wu. »Potenz ist von Natur aus nichts Schlechtes«, sagte Serrano zu ihnen. »Sie sichert zum Beispiel die Nachkommenschaft.«
    »Du brauchst uns keinen Aufklärungsvortrag zu halten«, erwiderte Wu. »Bleib beim Schatten!«
    »Ich bin bei ihm. Der Schatten ist ein besonderes Opfer seiner Potenz, denn sie scheint bei ihm mächtiger zu sein als bei anderen. Gleichzeitig scheinen sich ihm aber weniger Möglichkeiten des Auslebens zu bieten.«
    »Du meinst, er ist ein Einzelgänger?«
    »Einzelgänger sind wir im Grunde alle. Ich denke eher an einen Pendler. Einen Kater ohne Revier, der also die weiblichen Möglichkeiten, die ein Revier bietet, nicht abschöpfen kann. Deshalb sucht er sich andere, und er findet sie in eurem Garten. Grenzstreifen sind seit jeher gefährlich, denn sie liegen am äußersten Blickfeldrand des jeweiligen Princeps. Zwei Straßen weiter wärt ihr als sichere Enklave in Cäsars Revier eingeflochten.«
    Wu verzog das Maul. »Und Esteban würde angesichts der potenten Massen wahnsinnig werden.«
    »Alles eine Frage der Absprache«, erwiderte Serrano.
    Wieder schwiegen sie. »Aus welchen Gründen verzichtet ein Kater auf ein Revier?«, fragte Wu schließlich.
    »Entweder weil er zum Streunen veranlagt ist oder weil man ihn verstoßen hat. Im ersten Fall stehen ihm die Türen der Katzen seiner Durchzugsreviere offen, im letzteren nicht. Ächtungen sprechen sich herum.« Er las die Frage in ihren Augen, ehe sie sie aussprach. »Weil er gegen die Regeln verstoßen, also ein Verbrechen begangen hat.«
    »Er könnte weiterziehen und zum Streuner werden«, wandte Wu ein. »Wenn er genug Abstand zwischen sich und sein Verbrechen bringen würde, stünden ihm die Katzen anderer Reviere zur Verfügung, auch wenn ich persönlich die Formulierung allein schon zum Kotzen finde.«
    Überrascht merkte Serrano auf. »Du hast recht. Es könnte sogar ein Kater mit Revier sein.«
    »Aber«, ergänzte sie, »ohne Katzen.«
    »Und womöglich jemand, dem das Betreten der Nachbarreviere strikt verboten ist.«
    Wu gab den jungen Perserinnen je einen leichten Stüber, damit sie von ihr abrückten. »Hast du eine Idee?«
    Serrano blickte über die Schulter in den friedlich schlummernden Garten. Er sah einen Kater mit blutendem Maul und zerfetzten Ohren in den Hof des Fleischers hinken, wo ein flaumhaariges Junges namens Serrano ihm ehrfurchtsvoll seinen Napf abtrat.
    »Es ist eine alte Geschichte«, meinte er. »Schon fast eine Legende.« Dennoch hielt ihn das Bild des Katers gefangen, der ihm seinerzeit die ersten Lektionen für sein zukünftiges Amt erteilt hatte. Und besonders erinnerte sich Serrano der Eindringlichkeit, mit der Balthas von ihm gesprochen hatte: Er ist feige, aber heimtückisch und zäh. Schließe niemals Verträge mit ihm, denn er wird sie brechen. Wenn du dich ihm näherst, sei darauf bedacht, ihm nie die Flanken zuzuwenden.
    »Sein Revier war der Park«, sagte er. »Es war riesig, doch mit einem entscheidenden Nachteil: keine Katzen. Er hätte fragen können, Balthas hätte ihm das Werben um ein Weibchen sicher gestattet. Stattdessen zog er es vor, eine Straße unseres Viertels zu annektieren. Es war eine Grenzstraße.« Serrano ließ eine beredte Pause einkehren. »Natürlich konnte Balthas das nicht dulden. Es gab mehrere Kämpfe. Nach dem letzten, dem erbittertsten, schleppte der Angreifer sich mühsam in den Park zurück. Man hat nie wieder etwas von ihm gehört, er gilt als tot. Der Park ist seitdem neutrales Gebiet.«
    »Und du denkst, jetzt ist der Tote wiederauferstanden?«
    Serrano schrak zusammen. Aus einem der Fenster über ihnen dröhnte Donner, gefolgt vom Sirren Hunderter aufgescheuchterBienenvölker. Der Lärm steigerte sich und lief dann in einem einzelnen klagenden Ton aus.
    »Die Lernstunden der Mädchen sind zu Ende«, sagte Wu gelassen.
    »Was wird jetzt aus dem Schatten?«, murmelte

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