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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
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Schmeißfliegen den letzten Atemzug ihrer Brutstätte kaum abwarten. Sie sind vor allen anderen da. Dennoch sind diese Stubenfliege und die Wollmotte hier ungefähr zwei Tage älter.« Er tippte auf eine braunköpfige und eine weitere weiße. »Und warum?« Das Totenauge sah sie der Reihe nach forschend an. Als keine Antwort kam, zog er die Fetzen der Tüte herbei. »Weil Motte und Stubenfliege anwesend waren, als diese Katze starb. Nicht aber die Schmeißfliege. Vermutung: Der Tod trat in einem geschlossenen Raum ein. Nachdem Motte und Stubenfliege ihre Eier abgelegt hatten, wurde der Kadaver in die Tüte gesteckt und hierhergebracht. Hier endlich gesellte sich die Schmeißfliege dazu, und zwar heute Morgen und durch dieses Loch.«
    Er deutete auf eine annähernd runde, an den Rändern ausgefranste Öffnung, die abseits eines größeren Risses saß. »Kleinnager, wahrscheinlich eine Ratte.« Mit einer raschen Bewegunglegte er Krümels Bauch frei. Maja stöhnte auf. Unter dem Fell fehlte ein Stück Fleisch.
    »Der Nager wurde gestört«, fuhr das Totenauge ungerührt fort, »und hat das Weite gesucht. Kaum war er weg, Auftritt der Schmeißfliege. Wie gesagt, sie lässt ungern was anbrennen.«
    Serrano trat vor. »Es läuft also auf zwei Tage hinaus?«
    »Ungefähr.«
    »Und sie ist in einem geschlossenen Raum gestorben? Könnte dieser Raum auch ein Schuppen gewesen sein?«
    Das Totenauge wiegte den Kopf. »Wenn dort menschliche Wechselhäute lagern, ja. Im Tierheim haben sie solche Motten zuhauf in den Schränken. In der freien Natur kommen sie eher selten vor. Sie lieben tote Wolle. Noch was?«
    Maja bewegte stumm das Maul. »Wie?«, übersetzte Serrano.
    »Tja.« Das Totenauge warf abermals einen Blick auf Krümel. »Für Altersschwäche war sie wohl noch ein bisschen jung. Außerdem hat sie Grind am Maul, auch wenn die Ameisen schon die Hälfte weggeschleppt haben. Zunge rausgestreckt und dunkel, Augen vorgetreten. Ihr solltet die Symptome eigentlich kennen.«
    Majas Hinterläufe brachen plötzlich ein. Aus ihrer Kehle kam ein dünner, hoher Laut, der sich kalt um Serranos Brust legte.
    »Rattengift.«
    Das Totenauge stand auf und lockerte sich. »Das habe ich nicht gesagt. Aber es liegt nahe. Das war’s, ich hab noch einen anderen Klienten. Lust auf ein kleines Dinner heute Abend?«
    Die Frage galt Streuner, dessen Blick während der letzten Minuten besorgt an Maja gehangen hatte und der plötzlich zu sich kam. »Hast du sie denn schon so weit?«
    »Geköpft, mariniert und angerichtet«, sagte das Totenauge erhaben. »Die Engerlinge des Jahres. Bring zwei, drei Regenwürmer mit, um sie abzurunden.«»Gift«, murmelte Maja.
    »Ja«, sagte Serrano. »Darauf hätten wir selbst kommen können.«
    »Aber wie, kannst du mir das sagen?« Sie schloss die Augen. »Nein«, flüsterte sie nach einer Weile. »Hier passt kein Knochen zum anderen. Krümel bestand zur einen Hälfte aus Gutmütigkeit, zur anderen aus Angst. Sie hätte nie etwas gefressen, das nicht in ihrem Napf lag.«
    Streuner, der seinen Freund bis zum Rand der Lichtung begleitet hatte, kehrte zurück. »Das Totenauge weist darauf hin, dass wir Krümels Junge suchen sollen, er hat ihre Zitzen gesehen.«
    »Überflüssig«, wehrte Serrano ab. »Eins wohnt drei Stockwerke über mir und die anderen sind entweder längst verhungert oder haben ebenfalls neue Quartiere gefunden. Was Letzteres betrifft, habe ich so eine Vermutung. Um die Jungen müssen wir uns keine Sorgen machen.« Er sah Maja an, die plötzlich zu zittern begann. »Und um den Rest kümmere ich mich.«
    Mit Streuners Hilfe begruben sie Krümel am Rande des stinkenden Berges.
    Es war nicht direkt ein Ehrenplatz, aber da sie so weit vom Viertel entfernt waren, der einzig mögliche. Außerdem legte Serrano Wert darauf, sie in unmittelbarer Nähe des Fundortes zu lassen und sie nur oberflächlich zu vergraben. Die Stelle markierte er mit einem halb verwesten Zierkürbis.
    »Wozu das alles?«, fragte Streuner.
    »Ich möchte sie jemandem zeigen.«
    »Cäsar?«
    »Einem Menschen.«
    Von fern wehte das Klagen der Kirchturmuhr herüber. Schweigend zählten sie neun dumpfe Schläge. Als der letzte verhallte, fühlte Serrano sich auf unerklärliche Weise verraten.Ein Vorteil kinderloser Nächte bestand in einem tiefen, ungestörten Schlaf, der für Liebermann erst endete, als er auf die Toilette musste. Es war gleichzeitig ein Nachteil, wie er feststellte, denn als er auf dem Weg dorthin einen Blick zur Uhr

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