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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
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ihm nicht herauszuholen. Er hatte den Toten vorher nie gesehen, und während der letzten Tage war ihm in der Nähe der Hausboote nichts aufgefallen, wenn man mal von dem Lärm absah, den sein Nachbar jeden Abend bei Einbruch der Dunkelheit veranstaltete. »Er nennt es Musik«, sagte Feldmeyer abfällig. »Genauso, wie er seinen Schrott auf Rädern Kunst nennt.« Er selbst ging jeden Abend früh ins Bett, er arbeitete als Lehrer in einer Gesamtschule, da durfte er sich keine Eskapaden erlauben. Gegen den Lärm hatte er sich Ohropax besorgt, im Zweifelsfall rief er die Polizei, wenn die Nachbarn zur Linken des »Künstlers« es versäumten.
    Nachdem er sie an Letztere verwiesen hatte, begleitete Feldmeyer sie nach oben, sichtlich erleichtert, die Befragung überstanden zu haben.
    »Sie haben sich ein zeitaufwendiges Hobby gesucht«, sagte Liebermann, als sie sich wiederum durch den Dschungel schlugen, und hob eine golden schimmernde Tomate in die Luft.
    Feldmeyer seufzte. »Aufwendig, aber befriedigend, wenn man es ordentlich betreibt. Leider fehlt mir die Zeit. Vormittags Unterricht, nachmittags Konferenzen oder Elterngespräche, abends Vorbereitungen. Auch jetzt stehe ich theoretisch seit einer Stunde vor einer zehnten Klasse.«
    »Biologie?«, tippte Liebermann.
    »Und Chemie. Man kann es sich nicht aussuchen.« Feldmeyer zupfte einen welken Zweig von einer Pflanze, die im Unterschied zu ihren Nachbarn nur kleine, fleckige Früchte trug. »Braunfäule.Ich bin nicht dazugekommen, sie vor dem letzten Regen abzudecken. Das Ergebnis: drei Kilo Verlust.«
    »Und was tun Sie mit dem Rest?«
    »Verkaufen. Ich hab ein paar Kontakte zu ansässigen Gemüsehändlern, Gaststätten und einem Cateringunternehmen. Ab und zu kommen Stammkunden vorbei oder Touristen, wenn ich einen Tisch vor das Boot stelle. Was übrig ist, verschenke ich. Mir geht’s nicht um Geld, verstehen Sie, meine Leidenschaft gilt der Zucht.«
    Zum Abschied reichte er Otto und Liebermann je ein Spankörbchen. Der Inhalt war birnenförmig, aber immerhin rot.
    »Yugoslavs, meine aktuellen Favoriten. Wenn Sie Ihnen schmecken, sagen Sie Bescheid.«
    Hinter ihnen tauchte die massige Gestalt des Oberkommissars aus dem Dickicht. Ottos Hand, die sich gerade nach einem der Körbchen ausgestreckt hatte, trat bedauernd den Rückzug an. »Lieber nicht. Das könnte als Bestechung angesehen werden.«
    »Wenn Sie Lebensmittel von mir annehmen?«, fragte Feldmeyer baff.
    Müllers Blick glitt verständnislos von ihm zu seinem Noch-Vorgesetzten und verharrte schließlich bei Liebermann, der den anderen Korb mit den Worten entgegennahm: »Bei mir dauert es bis dahin noch ein paar Tage.«
    Die Menge der Schaulustigen hatte abgenommen, was vielleicht daran lag, dass die Pathologen mit ihrer Arbeit fertig waren. Sie standen zusammen mit Simon und der pferdeschwänzigen Kommissarin auf der Promenade, rauchten und tranken Kaffee aus Pappbechern, während zwei Beamte die eingetütete Leiche auf eine Trage hoben. Sie redeten über Fische.
    »Unten bei Kratzeburg hab ich mal einen Zander gefangen«, sagte Dr. Haflinger vom Bergmann-Krankenhaus. »Aber das ist schon mindestens drei Jahre her. Hier oben und dann auch noch auf einer so stark befahrenen Strecke, undenkbar.«
    »Und ein Hecht?«, fragte Simon. »Hechte gibt es überall.«
    Haflinger kratzte sich am Kinn. »Dann müsste es ein ziemlich selbstsicheres Vieh gewesen sein. Weit und breit kein Schilf, er könnte sich also höchstens zwischen den Booten verstecken, um auf Beute zu lauern. Du solltest einen Fischer zu Rate ziehen.« Die letzten Worte waren an Dr. Genrich gerichtet, die ihre Zigarette mit abgespreizten Fingern vom Mund hob. »Hechte haben eine andere Bissmarke.«
    Niemand widersprach.
    »Was war es dann?«, fragte Haflinger.
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Was war was?«, erkundigte sich Otto, der sich mit Müller und Liebermann in den Kreis reihte. »Wovon redet ihr?«
    Vier Augenpaare wanderten auf das Körbchen in Liebermanns Hand.
    »Von dem Tier«, berichtete Simon, »das den Toten angeknabbert hat.«
    »Kein Tier, du Depp, sondern ein Fisch«, sagte Dr. Genrich.
    »Aber ein Fisch …«
    »Außerdem ist es nicht spruchreif.«
    Sie nahm noch einen Zug von ihrer Zigarette und warf sie weg.
    Für die anderen das Zeichen, sich ebenfalls ihrer Kippen zu entledigen. Simon, dem als Jüngstem die Aufgabe eines Dienstmädchens zufiel, sammelte die leeren Kaffeebecher ein. Hauptkommissar Otto nahm Müller den Block

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