Katzenmond
Maja sah auf. »Ist dir der Appetit jetzt ausreichend vergangen?«
»Ich halte mich an die Tonne des Fleischers«, sagte Serrano würdevoll.
Sie grinste leicht. »Trudi wird sich freuen zu hören, dass du noch lebst.«
Demnach hatte sein Gespräch mit der Trächtigen schon Kreise gezogen. Vielleicht kam Maja sogar gerade von ihr. Es gehörte nicht zu ihren Gepflogenheiten, die Dinge sich selbst zu überlassen.
»Wenn du sie das nächste Mal siehst, sag ihr, der Alleingänger war vorsichtig und bedurfte keiner Kompanie.«
»Das ist alles?«
»Du gibst mir auch nichts von deinem Futter.«
»O bitte!« Maja ging einen Schritt zur Seite. »Nur zu, wenn du dich vergiften willst.«
»Danke. Apropos Gift: Ich weiß, dass Krümel und du verschiedene Näpfe hattet. Aber ich frage mich, ob es wohl hin und wieder vorkam, dass dennoch die eine aus dem der anderen fraß.«
»Nie«, sagte Maja kategorisch. »Außer ganz am Anfang, alsKrümel noch keinen eigenen hatte. Man muss ein paar Regeln einführen, schon damit klar ist, wer das Sagen hat.«
Serrano zweifelte keine Sekunde, dass Maja mit Regeln nur so um sich geworfen hatte.
»Warum fragst du?«, erkundigte sie sich. »Glaubst du etwa, dass das Gift hier in ihr Futter kam?«
»Ich habe darüber nachgedacht.«
»Du bist verrückt«, stellte Maja fest. »Die Ladenfrau kannte Krümel seit über einem Jahr. Sie mochte sie nicht besonders, weil sie sich nicht streicheln lassen wollte, aber meinetwegen hat sie sie geduldet und gefüttert. Und damit kommen wir zum Kern der Sache: Mich liebt die Ladenfrau. Und sie weiß nichts von der strikten Napftrennung.«
Serrano verstand. Die Ladenfrau hätte es nicht drauf ankommen lassen, Krümels Napf mit Gift anzureichern, aus Furcht, durch irgendeinen blöden Zufall ihre geliebte Maja zu erwischen. Aber den Versuch war es wert gewesen. »Gut, lassen wir die Ladenfrau und bleiben dennoch bei Krümels Napf. Du wirst zugeben, dass dieser Napf eine entscheidende Rolle spielt, da Krümel nur daraus gefressen hätte.«
Majas Kinn zuckte hoch. »Willst du darauf hinaus, dass es eine Verwechslung war? Dass jemand es in Wirklichkeit auf mich abgesehen hatte?«
»Nein. Aber wie ich es sehe, waren eure Fressgewohnheiten jemandem genau bekannt, von den Zeiten eurer Mahlzeiten bis hin zur Napftrennung. Und wenn es so ist, hatte er es zielgenau auf Krümel abgesehen.«
»Wozu zur Milchhaut! Krümel war das unbeschriebenste Blatt des ganzen Reviers.«
»Für irgendjemanden nicht.«
Maja stand auf und begann, vor ihrem eigenen gefüllten Napf auf und ab zu traben. Plötzlich blieb sie stehen und sah Serrano scharf an. »Reden wir von Mensch oder Katze?«
»Vielleicht von beidem. Einem, der sie umgebracht hat, und einem, der sie in die Tüte legte und zum Kompost trug.«
»Der Zweiradhändler?«
»Zumindest einer, der eine Tüte des Händlers in Besitz hatte.«
»Demnach wäre der Mörder einer von uns«, sagte Maja und hielt im Traben inne. »Das ist unsinnig. Ich habe noch nie von einer Katze gehört, die Gift streut. Dazu müsste sie es selbst ins Maul nehmen.«
»Nicht zwingend. Wenn er es zum Beispiel in eine Tüte schiebt, die er woanders wieder ausleert.«
»Unsinnig«, beharrte Maja.
»Gerissen.«
»Unsinnig, weil zu Lebzeiten niemand ein Interesse an Krümel gezeigt hat.«
»Doch, wenn auch nur kurz. Gerade lang genug, um sie aus dem Hinterhalt zu schwängern.«
Ehe er fortfuhr, ließ Serrano eine kurze Pause einkehren. »Du hast Krümels Junge gesehen. Woran hast du sie erkannt?«
»An ihren Schwänzen«, antwortete Maja misstrauisch.
»So ist es. Schwänze, stumpf und buschig wie der des Findlings, den ich Liebermanns Freundin zugeschoben habe. Und wie der des Schwätzers.«
Maja starrte auf die Brocken in ihrem Napf, als versuche sie, aus ihrer Anordnung etwas zu lesen. Dann kam sie mit einem Ruck zu sich. »Blödsinn. Der Schwätzer ist tot, und selbst wenn nicht, wäre er zu alt, um Katzen aus dem Hinterhalt anzuspringen, geschweige denn zu schwängern. Er müsste mindestens sechzehn sein.«
»Fünfzehn, ich habe nachgerechnet. Das ist kein unmögliches Alter.«
»Na schön. Und wo war er die ganze Zeit?«
»Das weiß ich nicht«, gestand Serrano. »Aber wir müssen unsmit dem Gedanken anfreunden, dass er zurückgekommen ist, um das Werk zu vollenden, das mein Vorgänger damals unterbrochen hat. Er zersetzt das Viertel, in dem er Katzen schwängert, er will das Viertel.«
Maja schüttelte langsam den Kopf.
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