Katzenmond
»Du solltest eine Prise Schlaf nehmen, Serrano. Deine Phantasie treibt Blüten, du merkst nicht einmal mehr, dass du dir selbst widersprichst. Denn wenn es so wäre, wie du sagst, und der Schwätzer das Revier durch Besamung in seine Gewalt bringen will, dann sollte er Krümels Wurf feiern, statt ihm die Mutter zu nehmen.«
»Auch daran habe ich gedacht«, sagte Serrano mit traurigem Lächeln.
»Geh schlafen!«
»Gleich. Eine mögliche Erklärung für den vermeintlichen Widerspruch lautet, dass Krümel nur sein Übungsfeld war. Der Schwätzer wollte sehen, ob eine Eilbesamung aus dem Hinterhalt möglich ist. Die Antwort kennen wir. Aber er wollte keinen Wurf von Krümel. Für seine neue Dynastie wird er Katzen auswählen, die seiner würdig sind, nicht die Nachkommen eines Experiments mit einer mageren Beschränkten. Deshalb, vermute ich, hat er Krümel umgebracht. Das Experiment war gelungen, nun mussten die Abfallprodukte entsorgt werden.«
Maja hatte ihm mit gefrorener Miene zugehört. Als Serrano fertig war, schloss sie die Augen. Er näherte sich ihr sacht, sie wandte sich ab. »Verschwinde«, murmelte sie. »Ich muss nachdenken.«
Satt von Nicos Wärme und mit der Zufriedenheit eines Seefahrers, der nach langer Reise heimgekehrt ist, kochte Liebermann für sich und die Seinen eine großzügige Ladung Spaghetti mit Pesto. Weil auch das Wetter sich großzügig zeigte, aßen sie auf dem Balkon. Mit Ausnahme von Dienstag, den Liebermann in die Küche gesperrt hatte. In Abständen ließen sich hinter derBalkontür greinende Geräusche vernehmen, jedoch verbot er den Mädchen strikt, sie zu öffnen.
Nach dem Essen warf Nico sie alle aus der Wohnung, weil sie saubermachen wollte. Liebermann, noch immer besänftigt von der Stunde im Bett, fügte sich. Tatsache war, dass seine Wohnung ebenfalls der Pflege bedurfte, auch wenn er mehr Neigung verspürte, den Nachmittag irgendwo im Grünen zu vertrödeln. Aus alter Gewohnheit warf er beim Verlassen des Hauses einen Blick in den Vorgarten. Leer.
Die Mädchen schwatzten ihm Geld für Eis ab und entschwanden eben um die Ecke, als Serrano von der anderen Seite her auftauchte. Ohne Liebermann zu beachten, schlüpfte er in seinen Busch. Unwillkürlich blieb Liebermann stehen.
Mit demselben abwesenden Blick war er gestern aus der Gerichtsmedizin zurückgekehrt, im Kopf eine Handvoll schwarzer Beeren und die garstige Dr. Genrich. Was war es bei Serrano? Immer noch die Tote vom Kompost?
Liebermann machte eine Bewegung in Richtung Flieder. Aber statt bei dem Kater endete sie beim Handy in seiner Jackentasche.
»Montag um zehn haben sich die Bullen bei meiner Klientin angekündigt«, sagte David wütend. »Kannst du mir das erklären?«
»Nun ja, da sie die Witwe des Toten ist, war dieser Besuch zu erwarten.« Über den ihn, nebenbei, niemand unterrichtet hatte. Liebermanns gute Laune begann zu bröckeln.
»Was ist mit mir?«, hörte er Davids Glasschneiderstimme. »Wo ihr jetzt ohne meine Vermittlung auskommt, bin ich ja wohl überflüssig.«
Ein dumpfes Geräusch sagte Liebermann, dass Serrano in den Keller hinabgestiegen war. Selbst der Kater ließ ihn im Stich.
»Im Gegenteil. Ich würde es sehr begrüßen, wenn du bei diesem Gespräch anwesend wärst. Es kommt schließlich nicht alleTage vor, dass eine Frau einen Detektiv beschäftigt, ehe ihr Mann unter mysteriösen Umständen stirbt.«
Er ließ das Handy sinken. Remis, unentschieden bis auf weiteres, dachte er mit säuerlicher Genugtuung. Auch er würde niemandem nicht Bescheid geben.
Die seltsame Unruhe, die Wu nach dem Besuch des Einohrigen befallen hatte, blieb den ganzen Tag ihr Begleiter. Sie ärgerte sich darüber, aber das änderte im Wesentlichen nichts, außer dass sie den Perserinnen aus dem Weg ging. Die Perserinnen besaßen feine Antennen, es ließ sich nicht verhindern, dass Stimmungen sich in Windeseile auf sie übertrugen. Und in ihrem Zustand war Wu wenig daran gelegen, sich auch noch um verängstigte Freundinnen zu kümmern. So hatte sie den größten Teil der Zeit im Gemeinschaftsraum verbracht und war, als Dahlia mit ihren Töchtern am Nachmittag dort auftauchte, auf den Wäscheboden umgesiedelt. Erst als es dämmrig wurde, wagte sie sich wieder nach unten. Aus der Diele drangen die Stimmen von Dahlia und Donna, einer ihrer Töchter. Fütterung, dachte Wu. Sie suchte sich einen Platz auf einem abgeschiedenen Fensterbrett, um den Aufbruch der Perserinnen abzuwarten. Nach dem Fressen
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