Kau Dich gesund
dieser Beschützer haben wir verkümmern lassen durch die seit Kindheit angenommene Gewohnheit des Hinunterschlingens.
Und das es dabei bleibt, dafür sorgt unser Zeitgeist.
Aber es gibt einen Lichtblick: Du kannst alles wieder zum Guten wenden – von einer Kaubewegung zur anderen. Du bist – egal, was immer geschehen ist – nach wie vor sensibel für die gesunden Signale von Appetit und Geschmack. Die Natur verzeiht sofort. Sie belohnt Dich sogar mit einem Maximum an Genuß. Einzige Voraussetzung: eine kleine konzentrierte (= lustvolle!) Trainingsphase mit dem Bissen im Mund, die Dich in den nächsten Tagen beglücken wird. Wer glaubt, dynamisches Kauen koste viel Zeit, der irrt gewaltig, das Gegenteil ist der Fall.
Du wirst ein »Zeit-Millionär«, ein »Lust-Millionär«, ein echter Lebenskünstler: ein Genießer rundherum.
Warum läßt sich (fast) jeder Mensch diesen Reichtum entgehen? Warum kaut niemand seinen Bissen zu Ende? Ganz einfach: Weil’s ihm kein Mensch beigebracht hat! Er kaut nur so lange, bis der Bissen zerkleinert und angefeuchtet ist, damit er gut (und schneller) rutscht. So hat’s immer schon Spaß gemacht. Wozu also etwas ändern? Warum schluckt jeder zu früh? Weil er im Kauen nur den Zerkleinerungsakt sieht, den er möglichst schnell hinter sich bringen möchte. Man/frau hat ja nie Zeit und ist gierig, den Bissen schnell hinunterzuschlingen, den Hunger zu stillen.
Essen steht in der Triebhierarchie ganz oben, gleich nach dem Atmen, noch vor dem Sex! (Wissenschaftsjournalist Udo Pollmer) Alle Ermahnungen, gründlicher und langsamer zu kauen, müssen daher naturgemäß scheitern.
Kein Mensch kaut länger, nur weil es gesünder sein soll, selbst wenn er den ganzen Tag Zeit hätte; es macht keinen Sinn. Er kaut erst anders, wenn es ihm mehr Spaß macht.
Warum schmeckt niemand den Bissen richtig aus?
Was ist überhaupt Geschmack? Wie entsteht er?
Geschmack ist vor allem nicht das, was uns die Werbung vorgaukelt!
Geschmack darf erst durchs Kauen entstehen, das wichtigste Hilfsmittel dabei ist der Speichel: Wenn man ein Stückchen trockenesBrot genügend kaut und dem Speichel gestattet, sich mit den Nährstoffen des Brotes zu mischen, so wird der Geschmack um so besser werden, je mehr Saliva (Speichel) Einfluß auf die Lösung gewinnt.
Dieses Geschmackserlebnis bleibt dem versagt, der zu früh schluckt.
Das Verwirrende bei der ganzen Sache ist, daß es nicht ums Kauen allein geht, und doch geht ohne richtiges Kauen nichts. Kauen ist aber nur Mittel zum Zweck. Es geht um die Ausbildung der Freude am Geschmack eines jeden Bissens.
Kauen ist »nur« der Auftakt, die Overtüre zur grandiosen Opera im Mund.
Ausschmecken ist das Wichtigste.
Ausschmecken kann aber nur nach gründlichem Durchspeicheln stattfinden.
Gründliches Durchspeicheln wiederum kann nur erfolgen, wenn die Nahrung gut zerkleinert ist.
Womit wir wieder beim Kauen wären, diesem so wichtigen ersten Schritt.
Man könnte sagen: Kauen ist nicht alles, aber ohne Kauen ist alles nichts! Und die Belohnung folgt auf dem Fuße.
Dr. Loeckle zieht folgendes Fazit:
»Gänzlich unerwartet stellt sich eine erhebliche Verbreiterung und Verfeinerung der Erlebnisfähigkeit für Geschmacksnuancen ein. Was zunächst wie ein Verzicht scheint, erweist sich als Bereicherung, zumal ja die herkömmlichen ›Lieblingsgerichte‹ nicht verboten sind. Sie treten nur allmählich zurück. Es ergibt sich ganz von selbst.«
Für mich ist die Freude am Geschmack, die sich mit jeder Kaubewegung erhöht, das höchste Glück. Dieses Herausholen des Geschmacks aus der Speise ist die Garantie für richtige Ernährung und Verdauung. Daß uns diese Eßweise soviel Spaß macht, ist der Trick von Mutter Natur, ihr zu helfen und uns damit Gutes zu tun. Der Grund, warum kaum ein Mensch an diesem genußvollen Kauen interessiert ist: Er hat sinnlich und geschmacklich noch nicht erfahren, was ihm dieses richtige Kauen an Lustgefühlen schenken kann. Er hat schon tausendmal davon gehört, aber er kann es noch nicht umsetzen:
Die Botschaft hört er wohl, allein ihm fehlt das Können.
Das Schmauen
Wie sollte der Mensch diesen Genußakt auch kennen?
Wie sollte er richtig kauen können?
Und diese Lust erleben wollen?
Das dafür bekannte Wort Kauen umschreibt nicht annähernd das Lustgefühl, das im Mund abläuft, bis der Bissen aufgelöst, ausgeschmeckt und »fließend übergegangen« ist. Nennen wir diesen Genußakt ab heute nicht einfach Kauen, nennen
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