Kauft Leute
waren zweieinhalb Meter hoch und die kreisrunden Öffnungen zur Straße hin vergittert. In der Nachbarschaft fanden sich mehrere solcher Protzvillen. Sie standen Grundstück an Grundstück neben modernen Architektenhäusern, die unbewohnt und versiegelt wirkten, und rustikalen Villen mit Hirschgeweihen über dem Tor, die aussahen, als hätte man sie aus den Bergen nach München geschleift. Vor den Häusern standen viele überraschend günstige Autos. Es waren die Wagen der Dienstboten und Angestellten, während die BMWs und Porsches der Hausbewohner in den tiefen, trockenen Garagen der Anwesen parkten.
Das Tor öffnete sich automatisch, als sich der Wagen der Einfahrt näherte. Sie rollten über einen Kiesweg zum Eingangstor der Villa, vor dem sechs oder sieben Wagen geparkt waren. Als Ralf ausstieg, um jene von Sandras Einkäufen, die nicht auf dem Rücksitz saßen, aus dem Kofferraum zu bergen, drehte sich das Mädchen zu Christian um und offenbarte ihm in knappen Worten, was ihn erwartete: »Es sieht so aus: Du bist ein Geschenk. Meine Mutter wird heute 49. Nicht zum ersten Mal, aber egal …
Du
bist ihr Geschenk. Ok?« Sandra fuhr fröhlich fort: »Es soll eine Überraschung sein! Ich stelle es mir so vor: Wir gehen zusammen ins Haus. Es werden so um die fünfzehn, zwanzig Leute da sein, kleine Runde, ganz cosy. Ich stelle dich als einen Freund vor. Wir kennen uns aus dem
Baby
! Dem Club, klar? Wenn dich wer fragt, was du so machst, erzähl irgendwas Plausibles, vielleicht Computerbranche oder so. Ich schlepp dauernd irgendwen an, das wird also nicht für wahnsinnig viel Aufsehen sorgen … Wenn die Crowd dann mit den Geschenken rausrückt, schnapp ich mir Mutti und dich und ich erzähle ihr, dass
mein
Geschenk bei mir oben ist. Dann rauf zu mir und … Übergabe! Kriegst du das hin?«
Christian machte den OK-Daumen und sagte beschwingt: »Das ist spitze, du verschenkst mich an deine Mutter, mein Wochen-Highlight.«
Sandra sagte: »Vielleicht gefällt sie dir ja … Sie sieht richtig gut aus.«
Christian schwenkte um: »Mal im Ernst, das kannst du nicht machen! Ich bin kein Stripper, den du zu einer Party mitbringst. Und ich bin auch kein geeignetes Geschenk – für deine Mutter oder sonst wen!«
»Aha«, sagte Sandra ruhig, »und was bist du dann?«
Christian jonglierte kurz mit den möglichen Antworten, aber keine schien zu passen. Schließlich erwiderte er: »Ich bin ein Mann, der ein paar falsche Entscheidungen getroffen hat und nun auf die Freundlichkeit und Fairness Fremder angewiesen ist.« Irgendwo in ihm klangen seine eigenen Worte seltsam vertraut nach. Er vermutete, er hatte ein längst vergessen geglaubtes Zitat aus einem Buch oder Stück zum Vorschein gebracht.
Sandra sprang nicht darauf an: »Weißt du, du führst dich hier auf, als wärst du Opfer irgendeiner Verwechslung geworden oder als würde eine ungeheure Ungerechtigkeit auf dich runterstürzen oder einwirken, was weiß ich. Aber in Wirklichkeit ist das alles total korrekt und in Ordnung so, wie es ist. Du hast irgendwas verpfuscht – und es ist mir wirklich egal, wie du das hingekriegt hast – und damit du nicht eingesperrt wirst oder deine Familie bis zum Ende ihrer Tage deine Schulden abzahlen darf, hat man dich eben auf den
Markt
geworfen. Und jetzt werden wir sehen, was du wert bist.«
Christian sah ihr an, dass sie wirklich glaubte, was sie sagte.
»Ok, Sandra, kann ich dir wenigstens erzählen, wie ich in diese Lage gekommen bin? Dann kannst du ja entscheiden, ob ich tatsächlich hierher gehöre.«
Sandra verzog das Gesicht. »Nein, ganz entschieden: nein! Das wollt ihr immer, immer wollt ihr mich zutexten mit euren Geschichten!«
Sie machte Anstalten, den Wagen zu verlassen. Christian griff nach vorne und hielt sie an einer Schulter zurück.
»Warte, bitte. Lass uns einen Deal machen! Ich spiele heute mit, ich werde nett und charmant sein, und deine Mutter wird sich riesig über mich freuen! Dafür hörst du dir morgen meine Geschichte an. Ihr mögt es doch, wenn Männer mal so richtig auspacken, sieh es doch so!«
Sandra drehte sich wieder zu Christian um. »Ich muss das nicht machen, das weißt du.
Einen Deal machen
… Ich habe heute schon einen Deal gemacht, deswegen sitzt du jetzt hier! Warum kann das eigentlich nie professionell ablaufen? Was bringen die euch dort bei?« Sie seufzte. »Aber gut, du Nervensäge, wenn heute alles perfekt läuft, hör ich mir morgen deine Jammerstory an. Ich werde Alkohol
Weitere Kostenlose Bücher