Kauft Leute
Danesita »Wo sind sie?!« in die Runde. Natürlich kannten weder der Wachmann noch Caro oder Lars die Antwort. Boris und der Mann im Trenchcoat waren einfach verschwunden.
Am Abend desselben Tages standen Danesita und Caro vor der großen Bühne am Parkplatz, auf der gerade ein Star der österreichischen Musikszene auftrat, von dem Danesita zuvor noch nie etwas gehört hatte und dreimal nachfragen musste, wie er hieße. Das Publikum schien ihn jedenfalls zu kennen und sang an Schlüsselstellen falsch mit. Der HÜMANIA-Marketingleiter und seine neue Texterin und – wie es schien – Beraterin in allen Lebenslagen tranken beide ein Bier aus einem Plastikbecher und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Den ganzen späteren Nachmittag hatten sie damit verbracht, die
Helden
zu befragen und nach den Vermissten zu suchen.
Gegen 5 Uhr hatte man endlich die Videos der Überwachungskameras ausgewertet, auf denen man Boris und den alten Mann im Trenchcoat einträchtig über den Parkplatz zu einem Porsche gehen, einsteigen und vom Gelände fahren sah. Die elektronische Fessel, die alle Helden tragen mussten, hatte man Boris fachmännisch entfernt, ein Security fand sie am Abend in einer Abstellkammer. Am Boden hinter der Tür, die aus dem Separée hinaus in jene Gänge führte, die nur von den HÜMANIA-Mitarbeitern betreten werden durften, war ein kleiner Holzkeil entdeckt worden, mit dem jemand verhindert hatte, dass sich die Türe ganz schließen konnte. Nach unzähligen Interviews mit dem Kommodore, anderen zur betreffenden Zeit anwesenden Helden und den diensthabenden Securitys hatte Danesita zwar gegen niemanden etwas in der Hand, aber immerhin hatten sie eine recht klare Vorstellung davon, was passiert war:
Begonnen musste alles damit haben, dass jemand Boris und dem Kommodore die Information zugespielt hatte, dass sich X im Haus befand. Wer das war, konnte nicht ermittelt werden, aber Caro bemerkte, dass Danesita ab einem bestimmten Zeitpunkt der Untersuchung Lars nicht mehr dabei haben wollte. Ab dem Moment, wo der Kommodore gewusst hatte, dass sich X dem Kaffeehaus näherte, hatte er verrückt zu spielen begonnen und den Security von der Tür wegzulocken versucht. Durch die auf diese Weise für einige Sekunden ungesicherte Tür war einer der Helden verschwunden, wobei gegen keinen ein konkreter Verdacht vorlag. Dieser musste anschließend die Tür zum Separée von außen geöffnet und blockiert haben. Als Boris das Erscheinen von X erwartet hatte, hatte er sichergehen müssen, nicht von einem anderen Besucher abgelenkt zu werden. Also hatte er sich zu Caro gesetzt, die er ebenfalls für eine Heldin hielt, um im richtigen Moment aufstehen und den Mann empfangen zu können. Natürlich war es ihm entgegengekommen, dass Danesita Caro zum perfekten Zeitpunkt aus dem Kaffeehaus geholt hatte. X hatte sich zu Boris gesetzt, und auf den Videobändern konnte man sehen, dass die zwei nur wenige Minuten miteinander redeten, bevor sie in Richtung der Separées verschwanden. Dort marschierten sie einfach aus der Tür hinaus. In einem der Gänge war Boris dann die Fußfessel entfernt worden. Alles Weitere war tatsächlich bloß ein Spaziergang gewesen: Über eine zuvor geknackte Sicherheitstür hinaus auf den Gastro-Ring, die Treppe hinunter auf den Parkplatz – und weg waren sie.
Erst gegen 18 Uhr am Abend hatte man die Bänder der Kameras im Kaffeehaus begutachtet. Es war relativ klar zu erkennen, wer der Mann war, der durch die Tür verschwunden war und höchstwahrscheinlich auch die Fußfessel von Boris entfernt hatte. Sein Name war Christian, er war ein junger Wiener, der durch einen Konkursfall zu HÜMANIA gekommen war. Danesita schlug triumphierend auf den Tisch, als man den Mann auf dem Video deutlich identifizieren konnte, und verlangte, dass man ihn sofort herbringen solle. Jetzt hatten sie einen Namen, und sie würden auch erfahren, warum Boris ausgerechnet mit dem Mann geflohen war, der den übelsten Leumund besaß und bei den Helden wie beim HÜMANIA-Management gleichermaßen verfemt war. Nach zwanzig Minuten kam die Mitarbeiterin, die er beauftragt hatte, Christian zu ihm zu bringen, alleine in das karge Büro, wo die Interviews stattfanden, zurück. Sie sagte, sie könne den Mann leider nicht mitbringen: Er sei am späten Nachmittag verkauft und gleich mitgenommen worden.
Danesita sah Caro an, als wollte er überprüfen, ob sie auch von einer Verschwörung gegen ihn gehört hatte, und was sie eigentlich davon
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