Kauft Leute

erster Linie die Buchhändler, Verleger und Filmproduktionsfirmen an, möglichst viel Geld damit oder einem möglichst ähnlichen Buch zu machen … Ich glaube, was ich damit sagen will, ist, dass wir gut auf unsere Träume aufpassen sollten, denn es gibt immer jemanden, der damit ein Geschäft machen will.«
    Danesita kniff seine Augen noch etwas enger zusammen. »Jetzt begreife ich den Unterschied zwischen uns, Caro. Ich glaube an den
Moment
. Der Moment, der in uns bestehen bleibt. Sie erinnern sich, was ich am Parkplatz gesagt habe: Wir kaufen Vorstellungen, nicht Dinge. Die Idee eines besseren Lebens. Ich sehe den emotionalen Triumph auf der Bühne, die Tränen der Sängerin nach einem Lied, das Millionen berührt hat. Möglich, dass sie es im Musik-Business nicht weit bringen wird, aber man hat ihr ermöglicht, ihre Stimme erklingen zu lassen. Ich sehe das Elfmeter-Tor und den Jubel, sei’s doch drum, dass ich mehr für mein Bier bezahlt habe. Und ich stehe ganz hinten bei der Hochzeit des Jahres und es läuft mir kalt den Rücken hinunter, wenn das Ave Maria gespielt wird. Einladung zur Scheidung werde ich sowieso keine bekommen.«
    Caro wusste nicht, warum, aber plötzlich sagte sie das, was sie schon längst hätte sagen sollen, aber nicht konnte: »Was ist, wenn der selige Moment vorbei ist? Einen Menschen zu kaufen, dauert nur einen Augenblick, aber dann gehört er dir für immer. Was passiert, wenn man aus diesem Traum erwacht?« Sie erwartete, dass Danesita aufspringen, eine Drohung aussprechen, dass er sie fristlos kündigen würde, noch bevor sie zu arbeiten begonnen hatte, einfach nur, weil sie die Dinge für einen Moment beim Namen genannt hatte, aber er blieb ganz ruhig.
    »Wir sind im Vermittlungsgeschäft, Caro, vergessen Sie das nicht. Hier ein Merksatz für Sie:
    WILL ICH ETWAS SCHÖNES KAUFEN, KANN ICH IN DIE CITY LAUFEN, MÖCHT ICH MIR WEN VERMITTELN LASSEN, MUSS ICH ZU HÜMANIA RASEN! Das ist nicht Rilke, aber viele bei uns haben sich den Firmen-Newsletter ausgedruckt! Man stolpert so leicht über die dummen Verben. Ah, es geht los.« Danesita schien nicht unglücklich zu sein, dass ihr Gespräch von der Performance auf der Bühne unterbrochen wurde. Er flüsterte Caro zu: »Jetzt vergessen Sie einen Moment mal Ihre Prinzipien und Ihren ganzheitlichen Ansatz und lassen Sie sich auf unsere Talente ein!«
    Caro grunzte innerlich und verschränkte die Arme.
    Ein Mann von Ende 30 hatte die Bühne betreten. Er trug Jeans, T-Shirt, Sakko und einen Stetson. Er machte Lockerungsübungen, trat von einem Bein aufs andere, ließ seinen Kopf kreisen und deutete Boxschläge an. Auf den Bildschirmen erschien die Information zur aktuellen Performance:
    »JOHNNY PAPAYA IST EIN ENTERTAINER, DER KEINEN KALTLÄSST.
    ER ZWICKT, ER BEISST, ER TEILT AUS – ABER KEINE SORGE:
    SIE SAGEN, WANN ES GENUG IST!
    MIT EINEM WIE IHM IST JEDE DINNER-PARTY EIN EREIGNIS,
    JEDER GEBURTSTAG EIN LACHFEST!
    ABER AUCH DER ALLTAG WIRD NICHT MEHR DER GLEICHE SEIN:
    WARUM DEN MONTAGMORGEN NICHT MIT SEITENSTECHEN
    VOR LACHEN ANSTATT BAUCHWEH VOR DER ARBEIT BEGINNEN?
    UND DAS BESTE: SEINE WITZE SIND AUCH IHRE!
    SIE BRAUCHEN EIN PAAR GUTE POINTEN FÜR EIN FIRMENFEST,
    DEN GEBURTSTAG IHRER SCHWIEGERMUTTER ODER DEN NÄCHSTEN
    BOWLINGABEND? – KEIN PROBLEM, JOHNNY PAPAYA SCHÜTTELT
    ETWAS AUS DEM ÄRMEL, DAS GENAU IN IHREN MUND PASST ( * ).
    HUMORISTISCHE MASSARBEIT, DIREKT AUS DER EIGENEN
    HEIMWERKSTATT. HOLEN SIE SICH EIN POINTENFEUERWERK
    NACHHAUSE, DAS NIEMALS ABBRENNT.
    ( * Mit Vertragsabschluss sind Sie alleiniger Besitzer des Urheberrechts seiner humoristischen Schöpfungen.)
    Auf der Bühne hatte der Performer seine Lockerungsübungen beendet. Er schob das Mikrofon in die Halterung, die Hände in die Hosentaschen und starrte ins Publikum, bis völlige Stille herrschte. Dann begann er zu sprechen, deutlich, langsam und eindringlich: »Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zu frischem Wasser. Er erquicket meine Seele, er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde, du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.«
    Einige Leute im Publikum hatten