Kauft Leute
Corinna starb, was würde er fühlen? Würde er überhaupt etwas fühlen? Und was in fünf Jahren?
»Allerdings nicht mehr lange …«, setzte der Mann nach. »Nächstes Wochenende werde ich neu vergeben.«
»Bist du deswegen ein bisschen
nachgespannt
worden?«, fragte Christian und zog an seinem rechten Ohrläppchen.
»Es kommen viele sehr junge nach, man muss bestehen können«, erwiderte der Mann und zündete sich eine Zigarette der leichtesten Marke, die im Tabakladen zu bekommen war, an.
Christian grübelte über die Neuverpflichtung des Mannes nach. »Bist du mit dem Tod von deinem
Owner
nicht aus dem Vertrag entlassen worden?«
»Ich wurde vererbt, sein Sohn hat aber kein Interesse an mir. Das beruht übrigens auf Gegenseitigkeit. Haben wir uns schon vorgestellt? Mein Name ist Heinrich.«
»Christian.«
»Bist
du
zufrieden, Christian?«
Christian sah Heinrich an und fragte sich, worauf seine Frage abzielte. Er konnte nicht zufrieden sein, wie war das auch möglich, wenn ihm seine Freiheit genommen worden war. Dieser adrette Mann mit seinen guten Manieren und der schönen Aussprache erschien ihm wie ein gepflegter, perfekt erzogener Irish Setter, der nun anstelle seines Herren im Ohrensessel saß und besorgt war, die Konversation im Haus nicht abreißen zu lassen.
»Ich bin nicht zufrieden, keineswegs«, sagte Christian. Und dann erzählte er dem anderen Mann, wie er überhaupt in diese Situation geraten war.
Heinrich hörte sich die ganze Geschichte an, dann fragte er: »Wie war der Name deines ehemaligen Kompagnons?«
»Gerald«, erwiderte Christian.
»Gerald Binder?«
Christian nickte verblüfft. »Ja, so heißt er.«
»Ich kenne ihn«, sagte Heinrich. »Er organisiert Events hier in München – für HÜMANIA.«
«Für HÜMANIA?«
»Ja, ich habe ihn gerade erst kennengelernt.«
Christian war fassungslos. Gerald hatte ihn nicht nur an diese Firma verkauft, er schien sich damit auch die Chance eröffnet zu haben, sie als Kunde zu betreuen. Was hatte Christian seinem Freund angetan, dass dieser bereit war, so weit zu gehen?
Christian versuchte, seine Gefühle herunterzuschlucken und die nachfolgende Frage nicht allzu bedeutsam klingen zu lassen: »Weißt du eigentlich, Heinrich, wann das nächste Event von HÜMANIA stattfindet?«
Der andere Mann lächelte. »Ja, das weiß ich zufällig. Nächstes Wochenende, Schloss Schleißheim, die Präsentation der Herbst/Winter-Kollektion. Dort werde ich vorgestellt. Es ist das Event.«
»Ok. Und wie bekommt man eine Einladung dafür?«
»Ich bin sicher, dass Corinna als gute Kundin eine Einladung bekommen hat. Aber du wirst nicht mitgehen können. Keine
Helden
im Publikum erwünscht. Du hättest nur eine Chance, als Teil der Präsentation hineinzukommen – vorausgesetzt Corinna trennt sich in den nächsten Tagen wieder von dir. Aber das ist doch eher unwahrscheinlich, oder?«
15
Es war Montagmorgen in der folgenden Woche und Caro hatte den Ausdruck einer E-Mail in der Hand, die ihr Danesita auf den Schreibtisch gelegt hatte.
Sie begann zu lesen:
Sehr geehrte Herren,
da ich Ihnen nun schreibe, will ich zuerst feststellen, dass es sich bei mir um keinen Ihrer typischen Kunden handelt, welche ich wie folgt wahrnehme: oft sozial unsichere oder gar unfähige alleinstehende Männer ohne Feingefühl oder Respekt für eine Frau; Individuen, welche glauben, jeder und jede trage einen Preis, und man brauche ihn bloß zu bezahlen, um Verfügungsgewalt über ihn oder sie zu besitzen; weiters: Machtmenschen, Vereinsamte, sittlich Verwahrloste . Ich könnte fortfahren, doch will ich Ihnen nicht Ihre eigene Klientel beschreiben, welche Sie ja selbst am besten kennen. Ich glaube, Ihr Geschäftsmodell richtet sich an das Niederste in uns, und es erfüllt mich mit großer Sorge, dass es auf so große Resonanz trifft. Aber genug davon. Ich möchte Ihnen meinen besonderen Fall offenlegen und um Ihre Intervention bitte. Unten finden Sie die Transaktionsnummer und einen Scan des Passes von Ursula F., der sich natürlich in meinem Besitz befindet. Weiters einen Brief, den Ursula F. verfasst hat, der ihre Sicht der Dinge darlegt. Ich habe mir allerdings erlaubt, gewisse Passagen zu schwärzen, in welchen meine Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Ich wende mich an Sie, da in München, wo ich Frau F. befreit habe, nicht auf meine Einbringung eingegangen wird, Frau F. außerdem – wie ich selbst auch – gebürtig aus Wien stammt.
Ich muss ein wenig ausholen: Vor
Weitere Kostenlose Bücher