Kauft Leute
Computerkurs, und ein kreativer Kopf wie du dichtet ihnen eine alternative Lebensgeschichte auf den Leib. Voilà, Sir Charles! Die machen massig Kohle damit.«
Caro nahm einen anderen Flyer, der sich grafisch eher am Karriereteil der Tageszeitungen orientierte. Der Firmenname lautete
Alumni 4 you
. Caro sah strahlende Gesichter von Jungakademikern unter der Headline »Wir freuen uns auf eine Karriere in Ihrem Leben!«
Lars schnippte gegen das Papier: »Lauter Loser mit Diplom, die durch jedes Assessment-Center gerutscht sind.«
Caro fegte einige Flugblätter zur Seite, auf denen halbnackte Mädchen zu sehen waren, und griff nach einem Prospekt der Firma
Bad Boys
. »Nette Jungs«, sagte sie und deutete auf die attraktiven Coverboys.
»Oh ja, total nett!«, gab Lars mit überdeutlicher Ironie zurück. »Alle, die du da siehst, sitzen derzeit im Gefängnis. Für die entsprechende Summe kommen die Knaben früher raus und sitzen dann bei dir zuhause ein, um deine IKEA-Regale aufzubauen und den Hund zu füttern. Reizvoll, oder?«
»Und wenn wir nicht die richtigen Leute im Angebot haben, holen wir sie uns von diesen Firmen da?«, fragte Caro.
»Ja, das kommt vor. Man hilft einander aus. Immer vorausgesetzt, es rentiert sich noch. Es zeigt sich aber schon, dass wir uns spezialisieren müssen, um weiterhin oben schwimmen zu können. Weg von den Arbeitern und den Ost-Girls, hin zu exklusiverem Content. Wir werden
premium
, verstehst du?«
»Schon klar«, brummte Caro und blätterte den Prospekt eines Unternehmens namens
Exotische Träume
durch. Sie las in dem Vorwort des Katalogs: »Viel Vergnügen bei einer Entdeckungsreise zu den schönsten und sinnlichsten Völkern der Erde. (Abbildungen sind Symbolfotos, die tatsächlichen Exoten können in Größe und Aussehen variieren.)«
»Die Firma gibt es nicht mehr«, klärte Lars Caro auf, »die gehören jetzt denen!« Er schmiss ihr ein Flugblatt hin, das riesig die Buchstaben TTT als Überschrift trug. »Das steht ausnahmsweise nicht für
Titel Thesen Tempelritter
, sondern
Top Thai Teens
. Großes Business.«
Caro zeigte auf den einzigen Computer, der in dem Raum stand. »Und über den Rechner kann man das Archiv aufrufen?«
Lars nickte. »Da sind alle Profile drinnen, die unsere Praktikanten aus den Katalogen und Online-Datenbanken der anderen Firmen übernommen haben. Suche nach Größe, Alter, Stichworten, was du willst. Nicht berücksichtigt sind natürlich die Hunderten Hinterhof-Dealer und alle sonst wie im Dunkelgrauen operierenden …«
»Klar«, sagte Caro und fragte sich selbst, wieso sie nichts von diesen Firmen wusste. War all das aufgekommen, während sie sich für die Iridium-Versorgung des virtuellen Kosmos zuständig gefühlt hatte? Hatte sich die Welt schneller gedreht, während sie online lebte? »Und was ist, wenn nirgendwo der richtige Kandidat zu finden ist? Nicht in einer unserer Filialen, und nicht bei der Konkurrenz. Wo holen wir sie dann her?«
»Fragen wie diese«, sagte Lars leise, »solltest du am besten in eine hübsche kleine Plastiktüte sprechen, sie fest zubinden und in der Nacht im Garten vergraben. Denn ein paranoider Mensch würde glauben, du wolltest andeuten, diese Firma würde Menschen, die gewissen Wunschbildern entsprechen, gezielt suchen, manipulieren und in einen Vertrag drängen, der sie um ihre persönliche Freiheit bringt.«
»Das wollte ich gar nicht sagen«, widersprach Caro.
»Dann ist ja gut«, sagte Lars und lächelte boshaft. »Jedenfalls«, brachte er seinen Vortrag zu einem Ende, »kannst du dir jetzt ein Bild machen, wieso uns momentan das Geld ausgeht. Der andere Grund für die Zustände im Heldenheim drüben ist natürlich Moffats Budgetstrategie. Er richtet es so ein, dass möglichst viele Helden zum Abspecken und für die üblichen Beauty-OPs in seine Klinik kommen. So bleibt kaum etwas für die Facilities im Haus selbst übrig und deswegen sieht es dort auch so traurig aus wie in der Zentrale von
Facebook
!« Lars kicherte.
Er drehte das Licht im Archiv wieder aus und schloss hinter ihnen ab. Danach löschte er die Beleuchtung der übrigen Beratungszone und versperrte auch diese. Als er und Caro dann am Gastro-Ring standen und auf den Parkplatz hinausschauten, wollte Caro fragen: Was ist mit unserer Welt passiert, während ich geschlafen habe?
Lars warf Caro einen Blick zu, als überlegte er, ob sie schon bei den Großen mitspielen durfte. »Möchtest du deinen Boss mal im Kreise seiner Liebsten
Weitere Kostenlose Bücher