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Kautschuk

Kautschuk

Titel: Kautschuk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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weitem entgegen. Mit schnellen Schritten ging er auf den zu, fragte besorgt: »Etwas passiert, Herr Kollege?«
    Rudi zögerte einen Augenblick unsicher, da nahm ihm Tilly das Wort ab. »Herr Doktor Wendt hat auf seine Weise die Bildung von Heptan-Butadien erreicht. Der gute Herr hat in ... seinem Eifer« – Tilly warf Rudi einen ironischen Blick zu – »etwas sehr lebhaft operiert.«
    »Ah, Herr Kollege, das war allerdings ein Husarenstückchen, das Sie sich da geleistet haben! Wußten Sie denn nichts von der Explosionsneigung dieser Reihe?«
    »O gewiß, Herr Doktor!« sagte Rudi mit rotem Kopf. »Aber nach der Theorie war dabei die Bildung von Butadien zu erwarten, und ich schlug den Weg ein, um, offen gesagt, meine Arbeit abzukürzen. Immerhin gab ich die Dosierung so vorsichtig, daß kein großer Schaden passieren konnte. Die Sache da« – er deutete auf seinen Kopf – »ist durchaus unbedenklich. Ein paar Kratzer, die Fräulein Gerland zu tragisch nimmt. Mit etwas Heftpflaster ist der Schaden kuriert.«
    »Das wäre sehr erfreulich. Aber, bitte, kommen Sie mit in mein Büro! Wir wollen dort den Fall gründlich durchsprechen.«
    Als Fortuyn an Tillys Tisch vorbeiging, überreichte sie ihm die Arbeit Rudis. »Noch ein Stückchen unseres tüchtigen Kollegen Wendt, Herr Doktor! Vielleicht interessiert Sie das auch.«
    Als Rudi nach einiger Zeit aus Fortuyns Zimmer zurückkam, war sein ohnehin stets vergnügtes Gesicht noch um einige Grade vergnügter. Der Büfettier Meyer, der inzwischen mit neuem Frühstücksmaterial erschienen war, erhielt ein Trinkgeld, das in Anbetracht des zu Ende gehenden Monats königlich genannt werden konnte. Meyers Laune war merklich gehoben, als er in die Kantine zurückkehrte.
    »Hier, Franz!« sagte eine Schankmamsell. »Liebesbrief aus Berlin!« Und lachte laut dabei.
    Auch der Büfettier Meyer lachte über den Scherz. War es doch nur eine offene Drucksache. Wie schon auf dem Kuvert ersichtlich, die Anpreisung eines Abzahlungsgeschäftes. Er wollte es eben in die Ecke werfen, da wurden seine Augen plötzlich auf einen Tintenklecks hinter seinem Namen aufmerksam. Er steckte den Brief sorgfältig in die Brusttasche. Viel sorgfältiger, als man gewöhnlich mit derartigen Drucksachen umzugehen pflegt.
    Als die Kantine sich etwas geleert hatte, ging er hinaus zur Toilette. Der Gelegenheiten waren hier viele. Die Augen des Büfettiers fanden alsbald eine unbesetzte heraus, die von zwei anderen unbesetzten flankiert wurde. Aber wer weiß, daß der Mechanismus dieser »Besetzt«-Schildchen öfters mangelhaft funktioniert, und wer auf nahe Nachbarschaft keinen Wert legt, sollte sich besser durch Probieren vergewissern.
    Meyer dachte nicht daran ... Und derjenige, der gerade die linke Gelegenheit okkupiert hatte, verhielt sich, in Nachdenken versunken, zufälligerweise so still, daß Meyer in seiner Täuschung verharrte.
    Der unfreiwillige Nachbar war gerade aus seinem Nachdenken erwacht, da fiel ihm auf, daß in Meyers Abteil öfters Streichhölzer angerissen wurden. Der verbrennt wohl hier etwas? dachte er sich im stillen. Doch der durchdringende Geruch verbrannten Papiers blieb aus. Noch mehrmals hörte er das Anreißen von Streichhölzern. Dann wurde die Spülung gezogen; Meyer entfernte sich, nicht ohne daß der unfreiwillige Lauscher durch den Türspalt ihn von hinten erkannt hätte.

Ein paar Minuten später trat Wittebold – der zufällige Nach­
    bar – aus seinem Gelaß in jenes andere. Er hätte es auch trotz des unverständlichen Anzündens so vieler Streichhölzer kaum getan, wenn er nicht schon seit einiger Zeit aus anderen Ursachen ein Auge auf diesen Büfettier gehabt hätte.
    Auch hier war von verbranntem Papier nichts zu merken. Auf der Erde lagen mehrere stark abgebrannte Streichhölzer und der Umschlag eines Briefes. Wittebold hatte das Rauschen der Spülung gut gehört. Trotzdem trat er mit einem schwachen Hoffnungsschimmer an die Toilette heran. War’s, wie das Kuvert anzeigte, eine umfangreiche Drucksache gewesen, so mochte vielleicht die Kraft des Wassers nicht ausgereicht haben, sie in die Tiefe zu bringen.
    Er hatte richtig vermutet. Die Drucksache, flüchtig zusammengeknüllt, steckte noch im Wasserknie. Mit zwei Fingerspitzen nahm Wittebold sie heraus. Nur der unterste Teil des Papiers war durchweicht. Er legte es draußen auf den Heizkörper, ging dann zurück und nahm auch den Briefumschlag an sich. Um sein Warten nicht auffällig zu machen, wusch er sich am

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